Cichocki Cover

Band Nr. 10

Marek Cichocki: Nord und Süd

Texte über die polnische Geschichtskultur

Inhalt

 In sechs großen historischen Essays spürt Marek A. Cichocki Polens Selbstverständnis in Europa nach. Dabei stellt er die traditionelle Einordnung des Landes in ein Ost-West-Schema in Frage: Der Osten hat sich für Polen oft als eine zerstörerische Verheißung erwiesen, der Westen hingegen, und insbesondere Deutschland, wollte Polen nach seinen eigenen Vorstellungen ummodeln. Hingegen ist es der Süden, der Polen in fruchtbarem Konflikt mit römischen und italienischen Vorbildern mannigfach geprägt und von einem Land der Barbaren zu einem Kernland der europäischen Kultur gemacht hat.

Cichockis Buch lässt verständlich werden, warum viele konservative Intellektuelle in Polen mit den Traditionen des liberalen Westens hadern, in dessen Entwicklungslogiken das Land in den letzten Jahrzehnten gezogen worden ist. Ob vielleicht immer noch gilt, was Julian Klaczko 1849 auf Deutsch schrieb? »Polen muß das Correctiv des kosmopolitischen Fortschritts in dem nationalen Konservatismus des Slawenthums werden« …

Der Essayband wurde 2019 mit dem renommierten Józef Mackiewicz-Preis ausgezeichnet.

 „In diesem neuen europäischen Imperium (…) verlieren die Polen nicht nur die Gewissheit der eigenen Form und den eigenen Staat, sondern auch die Quelle ihrer Eigenart und das Eigentümliche ihrer Form: den Süden. Ihnen bleibt nur noch die Wahl und die Selbstbestimmung zwischen den beiden konkurrierenden modernen barbarischen Zivilisationen des Westens oder des Ostens. Werden sie sich eines Tages von diesem Fluch befreien können? Werden sie den Weg zu ihrem wahren Ursprung wiederfinden, der im Süden liegt, um von neuem gekonnt an ihrer eigenen Form zu arbeiten?“ (Aus dem Buch)

 Marek A. Cichocki (geb. 1966) ist Philosoph, Germanist, Politikwissenschaftler und Experte für die deutsch-polnischen Beziehungen. Er ist Mitbegründer der Zeitschrift Teologia Polityczna, Programmdirektor des Europazentrums in Natolin und Chefredakteur der Zeitschrift Nowa Europa. Przegląd Natoliński. Als Professor lehrt er am Warschauer Collegium Civitas. Cichocki schreibt häufig für verschiedene Zeitungen und Zeitschriften.

Inhaltsverzeichnis

Die verborgene Landkarte Europas

Nord und Süd Ÿ Barbaren vor den Toren Ÿ Der bekehrte Barbar Ÿ Polen als Seinsform

Magister Vincentius

Der Mythos als Grundlage politischer Identität Ÿ Digression über Heinrich von Sandomir Ÿ…und eine andere Digression über Aron, Abt von Tyniec Ÿ Traktat vom Verrat Ÿ Das Thronfolgeproblem, oder Erfüllter Herrscher – vollkommener Herrscher ŸDer ewige Konflikt zwischen Jung und Alt ŸFür die Welt gestorben

Die römische Form

Teodor Parnickis barbarisches Europa ŸDer Jäger und sein Wild ŸDie Erde wüst und leer ŸAleksander Wats Leidensweg ŸLebensformen

Vom schwarzen Kanzler

Bewaffnete Königswahl Ÿ Miechowits Pilze, oder Etwas ist faul mit der polnischen Politik Ÿ Universitätsrektor ŸAbschweifung zur Staatsräson ŸEine schwere Versuchung ŸBrand der Senatorenbude ŸDie einzige derart große Revolution ŸGutenbergs Moment ŸDie freie Königswahl ŸŸItalienische Abschweifung ŸRzeczpospolita-Brücke Ÿ Das Krakauer Gemetzel und der Traum von der Krone ŸFünf polnische Kronen und noch eine weitere

Smolensk. Verfluchte Erde

Mutter Johanna ŸAm Rande der lateinischen Welt ŸDie gerissene Halskette des orthodoxen Reußens ŸDie Grenze zweier Königreiche Ÿ Die Fülle östlicher Fragen

Die deutschen Hegemonen

Sigurd und sein Aqua Tofana ŸPolendebatte in Frankfurt Ÿ  Der Faustkomplex Ÿ Slawa Ÿ Schluss

 

Danksagung

Literaturverzeichnis

Personenverzeichnis

Rezensionen

"Cichockis Buch ergibt ein gut lesbares Kompendium nationalpolnischen Denkens und seiner Traditionsbezüge. Die Wirkungsabsicht ist unverkennbar: Der Autor will seinem Publikum nationalkonservative polnische Politik der Gegenwart schmackhaft machen, meist nicht kämpferisch, sondern in dezenter, bildungsbürgerlicher Manier. (...)  es lohnt sich dieses Buch zu lesen, will man erfahren, aus welchen Quellen sich das derzeit allgegenwärtige nationalkonservative Denken in Polen speist."

Martin Sander, in: Deutschlandfunk Kultur, 4.1.2021

 

"Cichocki gehört zu den wichtigsten polnischen Anhängern der politischen Theologie, wie sie von Carl Schmitt ausgearbeitet wurde. Cichocki hat über Schmitt promoviert sowie zahlreiche Werke von Schmitt ins Polnische übersetzt und herausgegeben. Für Cichocki – und mittelbar für die Regierungspartei – ist Schmitts Insistieren auf der dezisionistischen Natur des römischen Katholizismus als «politischer Form» attraktiv. Entscheidungen beruhen in dieser Sichtweise auf moralischer Autorität und nicht auf demokratischen Mehrheiten."

Ulrich M. Schmid, in: Neue Zürcher Zeitung, 27.2.2021

 

"Cichocki versucht in seinem Buch zu belegen, dass der heutige Westen - einschließlich Europas - sich von seiner Herkunft aus dem spätantiken römisch-christlichen "Süden" losgesagt habe. Er spricht von einem "Irrweg" des postmodernen Westens und verdammt besonders den "kategorischen Universalismus der Liberalen". Deutschland sei in der EU via Brüssel der Motor dieser verderblichen Entwicklung. (...) Mit seinem Buch liegt er im Einklang mit der antieuropäischen Politik der aktuellen nationalkonservativen Regierug Polens."

Sofia Dreisbach, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 1.6.2021