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Darmstädter Residenzschloss im Winter. © Karolina Walczyk

Literarisches Portrait

Zu jeder Jahreszeit stellen wir Ihnen wichtige polnische Schriftstellerinnen und Schriftsteller vor, deren Werke  in Originalsprache   und in deutscher Übersetzung in der Bibliothek des DPI ausgeliehen werden können.

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Winter 2017

Olga Tokarczuk

Die Welt besteht aus Leeren, und leider gibt es keine Worte, um das zum Ausdruck zu bringen. Und das, was wir für wirklich halten, uns selbst eingeschlossen, ist vorübergehender Paroxysmus der Welt, eine Störung in der Vollkommenheit des Nichtseins. 1)

Olga Tokarczuk wurde 1962 in dem kleinen Ort Sulechów bei Zielona Góra (Grünberg) in Polen geboren. Bevor ihre Kariere als Schriftstellerin startete, studierte sie zunächst Psychologie an der Universität in Warschau. Während ihres Studiums arbeitete Olga Tokarczuk in einem Heim für verhaltensauffällige Jugendliche. Nach ihrem Abschluss zog sie zunächst nach Breslau und später nach Wałbrzych, wo sie eine Tätigkeit als Therapeutin begann. Seit 1998 lebt Tokarczuk in dem kleinen Dorf Krajanów, bei Nowa Ruda. Von hier aus führte sie mehrere Jahre ihren eigenen Verlag namens Ruta, bevor sie sich ganz dem Schreiben widmete. Tokarczuk sieht sich selbst in der geistigen Tradition von Carl Gustav Jung, dessen Theorien sie als eine Inspiration für ihre literarischen Arbeiten anführt.

Ihre Werke wurden bis dato in 28 Sprachen übersetzt:

Bulgarisch, Chinesisch, Dänisch, Deutsch, Englisch, Estnisch, Finnisch, Französisch, Hindi, Italienisch, Japanisch, Katalanisch, Kroatisch, Litauisch, Mazedonisch, Niederländisch, Norwegisch, Rumänisch, Russisch, Schwedisch, Serbisch, Slowakisch, Slowenisch, Spanisch, Tschechisch, Türkisch, Ukrainisch und Weißrussisch.

Olga Tokarczuk.  © Krzysztof Dubiel / Instytut Książki

Im Jahr 1989 veröffentlichte Olga Tokarczuk ihr erstes Buch, eine mit "Stadt in Spiegeln"  (Miasta w lustrach)  betitelte Gedichtsammlung. Ihr Debütroman "Die Reise der Buchmenschen" (Podróż ludzi księgi) erschien 1993 und wurde von der Gesellschaft der polnischen Buchverlage als bestes Prosadebüt des Jahres ausgezeichnet.

Für ihren 1996 erschienenen dritten Roman "Ur und andere Zeiten" (Prawiek i inne czasy) erhielt Olga Tokarczuk bei der ersten Nike-Preisverleihung 1997 den Publikumspreis, welchen sie auch in den Jahren 1999 und 2002 gewann. 2008 bekam Tokarczuk dann mit "Unrast" (Bieguni) sowohl den Publikums- als auch den Hauptpreis. Ebenfalls mit Haupt- und Publikums-Preis ausgezeichnet wurde 2015 ihr derzeit aktuelles Buch "Die Jakobsbücher" (Księgi Jakubowe).

 Die meisten deutschen Übersetzungen ihrer Werke stammen übrigens von Esther Kinsky. Für "Die Jakobsbücher" wird derzeit [Stand: November 2017] nach einem deutschen Verlag gesucht, hier gibt es noch keine deutsche Fassung.

Das 2009 erschienene Buch "Der Gesang der Fledermäuse" (Prowadź swój pług przez kości umarłych) wurde 2017 von der renommierten polnischen Regisseurin Agnieszka Holland unter dem Titel "Pokot" verfilmt. Der Film wurde auf der Berlinale 2017 ausgezeichnet und für den Oskar 2018 in der Kategorie für den besten nicht englischsprachigen Film nominiert.

Im Jahr 2019 hat Olga Tokarczuk einen Nobelpreis für Literatur nachträglich für das Jahr 2018 bekommen. Wir gratulieren ganz herzlich und freuen uns für Sie!

"Die Juroren würdigten vor allem ihr Werk "Die Jakobsbücher" (Księgi Jakubowe) aus dem Jahr 2014. Sie rühmten Tokarczuks "erzählerische Vorstellungskraft", die "mit einer enzyklopädischen Leidenschaft das Überschreiten von Grenzen als Lebensform symbolisiert". Zeit Online 2)

Die meisten deutschen Übersetzungen ihrer Werke stammen von Esther Kinsky. Der schweizerische Kampa Verlag brachte im September 2019 "Die Jakobsbücher" (Księgi Jakubowe) auf den deutschsprachigen Markt, in der Übersetzung von Lisa Palmes und Lothar Quinkenstein.
Der aktuellste Band von Olga Tokarczuk „Die grünen Kinder. Bizarre Geschichten“ (Opowiadania bizarne), erschien neulich in Übersetzung von Lothar Quinkenstein ebenfalls im Kampa Verlag.

Lesung am 14. November 2017

Am 14.11.2017 liest Olga Tokarczuk aus ihren Romanen "Der Gesang der Fledermäuse" und "Die Jakobsbücher". Die Veranstaltung findet in der Kapelle des Isenburger Schlosses in Offenbach statt – dem Ort, an dem die Hauptfigur Jakub Frank, dessen Geschichte im Roman "Die Jakobsbücher" erzählt wird, zusammen mit ca. 400 Anhängern seine letzten Lebensjahre (1787 – 1791) verbrachte. Mehr dazu

Zitate über Olga Tokarczuk

Olga Tokarczuk ist eine anarchische Erzählerin, die Orte und Ereignisse aus dem Gitternetz gewohnheitsmäßiger Wahrnehmung und zeitlicher Linearität befreit.

Katharina Döbler in "Spiel auf vielen Trommeln"

Olga Tokarczuk begeistert durch ihre Erzählweise, in der sie philosophische und psychologische Tiefe mit epischem Nerv verbindet, die zwischen Mythen, Träumen und Realität angesiedelt ist… eine unnachahmliche, zwischen Magie und Realität oszillierende Aura.

Marta Kijowska in der Süddeutschen Zeitung

 

 1) Olga Tokarczuk: Spiel auf vielen Trommeln : Erzählungen. Übersetzt von Esther Kinsky.Berlin : Matthes & Seitz, 2006. Seite 102.

 

2) https://www.zeit.de/kultur/literatur/2019-10/literaturnobelpreise-fuer-peter-handke-und-olga-tokarczuk

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Olga Tokarczuk

Ausgewählte Werke:

Ur und andere Zeiten

 Polnischer Titel: Prawiek i inne czasy
Aus dem Poln. von Esther Kinsky
Berlin : Berlin Verlag, 2000. 335 S.

Unsere Signatur: U pd Tok/U

Klappentext:

Olga Tokarczuk ist eine Zauberkünstlerin: Sie schreibt als öffnete sie lächelnd den Deckel einer Spieluhrschatulle, in deren Innerem sich auf wunderbare Weise immer andere Figuren in immer neuen Konstellationen zu einer geheimnisvollen und dennoch tief vertrauten Melodie drehen.Mit ihrem dritten Roman "Ur und andere Zeiten" hat die junge polnische Autorin Olga Tokarczuk mehr als eine wunderbare Geschichte über ihr Land geschrieben, sie hat einen eigenen Kosmos erschaffen. Zentrum der Welt und Ort des Geschehens ist das fiktive ostpolnische Städtchen Ur, bewacht von den vier Erzengeln Raphael, Uriel, Gabriel und Michael und bewohnt von den merkwürdigsten Menschen: der jungen Genowefa, dem verarmten Baron, der sein Leben einem kabbalistischen Rätselspiel verschrieben hat, dem wilden Mann, der im Wald lebt, dem Wassermann Pluszcz...

Die Erzählung setzt im Jahr 1914 ein und begleitet die historische Entwicklung Polens durch das 20. Jahrhundert. Doch sie könnte auch zu jeder beliebigen Zeit spielen, denn Olga Tokarczuk beschwört nicht in erster Linie die politischen Ereignisse zweier Weltkriege, es sind die ewigmenschlichen Geschichten von Liebe und Hass, Glück und Leid, Geburt und Tod. Das Personal dieser Geschichtenwelt ist das Personal der Märchen und Mythen. Zum Leben erweckt werden all diese menschlichen Urtypen in einer Sprache, die diese junge Autorin perfekt beherrscht: der einfachen Zaubersprache der Märchen mit ihrer poetischen Leuchtkraft und ihrer drastischen Grausamkeit.

Weitere Informationen zum Buch finden Sie hier.

 

Anna In in den Katakomben

Polnischer Titel: Anna IN w grobowcach świata
Aus dem Poln. von Esther Kinsky
Berlin : Berlin Verlag, 2007. 205 S.

Unsere Signatur: U pd Tok/A

Klappentext:

Keine Definition von Mythos, die ich kenne, ist so ungewöhnlich, paradox und witzig wie von Karl Kerényi geprägte: Mythos ist die Epiphanie des Göttlichen im Sprachzentrum des menschlichen Hirns. Man könnte es auch so ausdrücken: Ein Mythos ist in dem maße wirklich, in dem alles was wahrgenommen wird auch wirklich ist. Solange wir die Götter auf ihren Reisen, Abenteuern, in ihren Metamorphosen, ihren Schöpfungen und Apokalypsen begleiten, existieren sie auch. Und so existiert auch Inanna.

Mit dieser Geschichte habe ich auf einen der ältesten Mythen der Menschheit zurückgegriffen. Die Heldin ist die sumerische Göttin Inanna, Tochter des Mondgottes und der Mondgöttin, Herrscherin über die Stadt Uruk, die Göttin von Liebe und Krieg. Sie wird mit dem Planeten Venus asoziert und in Gestalt des Abend- und Morgensterns verehrt. Einerseits gilt sie als Schutzpatronin der körperlichen Liebe, andererseits steht sie als die ungestüme und unstete Kriegsgöttin für das Streben ihres Volkes nach größerer Macht” Olga Tokarczuk

Weitere Informationen zum Buch finden Sie hier.

 

Spiel auf vielen Trommeln. Erzählungen

Polnischer Titel: Gra na wielu bębenkach. Opowiadania
Aus d. Poln. übers. von Esther Kinsky
Berlin : Matthes & Seitz, 2006. 144 S.

Unsere Signatur: U pd Tok/Sp

Klappentext:

Olga Tokarczuk erweist sich einmal mehr als große Geschichtserzählerin. Sie Schöpft aus einem schier unendlichen Repertoire von Alltagsgeschichten und Mythen, Fakten und Fantasiegebilden, Träumen, Beobachtungen und Deutungen und fügt diese zu kleinen verdichteten Parabeln zusammen, die die großen Fragen nach dem Geheimnis von Sein und Dasein berühren.

Wie verhalten sich Menschen, wenn Selbstverständlichkeiten in Frage gestellt werden, wenn Gewohnheiten verloren gehen? Den Menschen, in den hier versammelten Erzählungen passiert genau das: Sie sind gezwungen, sich neu zu definieren und sich Fragen nach den Bedingungen von Existenz und Individualität zu stellen.

Weitere Informationen zum Buch finden Sie hier.

 

Unrast

Polnischer Titel: Bieguni
Aus dem Poln. von Esther Kinsky
Frankfurt am Main : Schöffling, 2009. 456 S.

Unsere Signatur: U pd Tok/Un

Klappentext:

Eine Frau und ihr kleiner Sohn verschwinden auf mysteriöse Weise während des Urlaubs; eine orthodoxe Sekte will durch ständige Bewegung dem Teufel entkommen; die Ich-Erzählerin ist auf permanenter Wanderschaft: In ihrem neuen Buch "Unrast" beschäftigt sich die polnische Autorin Olga Tokarczuk mit der Reiselust und dem Nomadentum des modernen Menschen. In einer Vielfalt von Texten, von der Reiseerzählung über mythologische Geschichten bis zur pointierten philosophischen Betrachtung, bannt sie die Hektik des modernen Lebens in einen feinverwobenen erzählerischen Kosmos.

Weitere Informationen zum Buch finden Sie hier.

 

Der Gesang der Fledermäuse

Polnischer Titel: Prowadź swój pług przez kości umarłych
Aus dem Poln. von Doreen Daume
Frankfurt am Main : Schöffling, 2011. 345 S.

Unsere Signatur: U pd Tok/G

Klappentext:

"Wenn ich auf meinen Rundgängen über die Felder und das Brachland  gehe, dann stelle ich  mir gerne vor, wie das alles in einer Milion Jahren aussehen wird. Wird es dann noch die gleichen Pflanzen geben? Und die Farbe des Himmels, wäre sie noch genauso wie heute?"

Die schrullige Erzählerin Janina Duszejko, Dorflehrerin für Englisch und im Winter Hüterin der Häuser von Sommerfrischlern auf einem windgepeitschten Hochplateau im Glatzer Kessel, hat zwei Leidenschaften: für Astrologie und für Tiere. Außerdem kämpft sie mit einem tückischen Leiden, liest und übersetzt mit einem ehemaligen Schüler die Gedichte von William Blake und räsoniert über die Sterne, die Menschen und die Bedeutung von Namen. Vor allem aber entwickelt die Erzählerin kuriose Theorien über die an Tieren begangenen Verbrechen. Als in der Umgebung eine Leiche nach der anderen gefunden wird, ist sie, die allgemein als Verrückte angesehen wird, der Polizei immer einen Schritt voraus.

Weitere Informationen zum Buch finden Sie hier und hier.

 

Die Jakobsbücher

Polnischer Titel: Księgi Jakubowe albo Wielka podróż przez siedem granic, pięć języków i trzy duże religie, nie licząc tych małych.
Momentan (Stand November 2017) nur auf Polnisch vorhanden.
Kraków : Wydawn. Literackie, 2014. 903 S.

Unsere Signatur: D 4 Tok/K

Weitere Informationen zum Buch finden Sie hier.

 

 

 

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Olga Tokarczuk

Links

- Interview mit Olga Tokarczuk: "Writers in Motion".  Weiterleitung auf YouTube. Auf Polnisch mit englischen Untertiteln.

- Interview von Deutschlandfunkkultur. "Stadtspaziergang mit Olga Tokarczuk": "Breslau war wie ein verwundetes Riesentier".

- Im Jahr 2015 gewann Olga Tokarczuk den internationalen Brückenpreis der Europastadt Zgorzelec/Görlitz  als eine der wichtigsten Brückenbauerinnen der Literatur im und aus dem Herzen Europas: Brückenpreis.

- Ein Unterrichtsfilm über die Polnische Literatur von der Romantik bis zur Gegenwart. Von den Nationaldichtern Adam Mickiewicz und Juliusz Słowacki zu den Nobelpreisträgern Wisława Szymborska und Czesław Miłosz bis zu den Gegenwartsautoren Olga Tokarczuk, Andrzej Stasiuk und Dorota Masłowska. Mit Kommentaren des großen Übersetzers Karl Dedecius: Polnische Literatur.

UPDATE vom 10.10.2019 => NOBELPREIS FÜR LITERATUR FÜR DAS JAHR 2018

- Das erste Telefon-Interwiew mit Olga Tokarczuk nachdem sie von dem Nobelpreis erfuhr Olga Tokarczuk: "Such a prize will, in a way, give us a kind of optimism." (Weiterleitung auf YouTube) (Auf Englisch).

- Artikel in NEUE WESTFÄLLISCHE: So reagiert Olga Tokarczuk in Bielefeld auf die Nobelpreis-Nachricht .

- Artikel auf ZEIT ONLINE Olga Tokarczuk und Peter Handke ausgezeichnet.

 - Artikel in der FAZ Literaturnobelpreise für Olga Tokarczuk und Peter Handke.

- Artikel im TAGESSPIEGEL Erst Opus Magnum, dann Literaturnobelpreis.

- Artikel in der NEUEN ZÜRICHER ZEITUNG Eulen nach Schlesien – Olga Tokarczuk hat eine verwunschene Landschaft aus dem Bann der Geschichte erlöst.

- Artikel in der NEUEN ZÜRICHER ZEITUNG Eine neue Sprache für den polnischen Roman – Olga Tokarczuk erhält rückwirkend den Literaturnobelpreis 2018.

- Artikel in der WELT Die neue Nobelpreisträgerin ist für viele Polen eine Hassfigur.

- Artikel im SPIEGEL ONLINE Nobelpreisträgerin Olga Tokarczuk. Die Provinz zur Heimat machen.

- Artikel in GAZETA WYBORCZA Nobel dla Tokarczuk: Dedykuję tę nagrodę Polakom, zagłosujmy za demokracją (Auf Polnisch).

- Artikel in der DEUTSCHEN WELLE (PL) Olga Tokarczuk w pierwszym wywiadzie po Nagrodzie Nobla: Dziś będę celebrować (Auf Polnisch).

- Artikel in THE GUARDIAN (EN) Olga Tokarczuk: the dreadlocked feminist winner the Nobel needed (Auf Englisch).

- Artikel in  SÜDDEUTSCHER ZEITUNG Metaphysische Lieblingspolin.

 FILM

- "Die Spur": Trailer zum Film. Weiterleitung auf Youtube.

- Kulturthema am 3.1.2018 von Rüdiger Suchsland auf SWR2: Ökothriller aus Polen.

Schauspieler und Autoren vom Film über die Dreharbeiten und den Film selbst. Weiterleitung auf Youtube. Auf Polnisch.   

- Dyskusja Holland, Tokarczuk, Wajrak, Kruczyński "Czy czeka nas zemsta zwierząt?"

- Twórcy filmu "Pokot" dla "Legalnej Kultury"