05.10.2020

Städtepartnerschaften in Zeiten von Corona

Staedtepartnerschaften de

Die Corona-Pandemie hat in den vergangenen Monaten vieles Gewohnte auf den Kopf gestellt. Grenzen waren plötzlich wieder geschlossen, Veranstaltungen mussten abgesagt werden und anstelle des persönlichen Austauschs traten vielfach Videokonferenzen. Das Deutsche Polen-Institut (DPI), das Institut für Öffentliche Angelegenheiten in Warschau und der Polnische Städtebund haben dies zum Anlass genommen, ihr seit März 2019  durchgeführtes Forschungsprojekt zu deutsch-polnischen Städtepartnerschaften  um eine kleine aktuelle Umfrage zu ergänzen: wie erging und ergeht es eigentlich den Städtepartnerschaften während der Corona-Krise? Ist der gemeinsame Austausch vollständig zum Erliegen gekommen? Oder wurden neue digitale Formen der Zusammenarbeit genutzt?

Um Antworten auf diese Fragen zu finden, wurde im September 2020 eine zweisprachige Online-Umfrage auf Deutsch und Polnisch erstellt, die an Zuständige für Städtepartnerschaften in den Kommunen und in Partnerschaftsvereinen Engagierte in den beiden Ländern weitergeleitet wurde. Es ging dabei um alle mögliche Arten von ausländischen Partnerschaften, nicht nur um deutsch-polnische oder nur formalisierte.  Auch wenn die Antworten nicht repräsentativ sind, geben sie doch einen guten vielfältigen Überblick über die Schwierigkeiten, aber auch Chancen, die die Corona-Epidemie auf dem Feld der Partnerschaftsarbeit verursacht hat. Insgesamt gab es 183 Reaktionen aus Polen und 74 Reaktionen aus Deutschland auf die Umfrage. Unter den polnischen Befragten gaben jedoch 39 an, dass ihre Gemeinde (derzeit) über keine ausländische Partnergemeinde verfüge. Daher wurden in den weiteren Analysen lediglich die 144 verbleibenden Antworten berücksichtigt.

 

Dass die Corona-Pandemie einen tiefen Einschnitt für viele Städtepartnerschaften darstellte, zeigt bereits die Antwort auf die Frage, ob im Zeitraum zwischen Februar und August 2020 geplante Treffen mit der Partnerstadt verschoben oder ganz abgesagt werden mussten. Rund 72% der polnischen Umfrageteilnehmer*innen beantworteten diese Frage mit Ja, unter den Deutschen waren es mit etwa 82% noch mehr. Gleichzeitig nahmen aber auch viele Kommunen die neue Situation zum Anlass, neue Wege der Zusammenarbeit mit ihren jeweiligen Partnerstädten zu gehen. So gaben knapp 46% der deutschen und rund 45% der polnischen Teilnehmer*innen an der Umfrage an, neue Formate der Zusammenarbeit mit der Partnerstadt erarbeitet zu haben. Allerdings gab damit auch in beiden Fällen mehr als die Hälfte an, dass keine neuen Projekte entwickelt wurden.

Abwarten, Zeit- und Ideenmangel – Gründe für die Inaktivität

Die Umfrage fragte auch nach den Gründen, falls keine neuen Formen der Zusammenarbeit konzipiert wurden, wobei in der Antwort auch mehrere Gründe genannt werden konnten. Zu den am häufigsten genannten Ursachen gehörte sowohl bei polnischen als auch bei deutschen Teilnehmer*innen, dass man auf eine Verbesserung der Situation bezüglich der Pandemie warten wollte. Als Grund wurde auch genannt, dass im abgefragten Zeitraum sowieso kein Treffen mit der Partnergemeinde geplant war. Daneben gaben auch einige Teilnehmer*innen an, dass die geplanten Treffen nicht online abgehalten werden konnten oder dass in der Pandemie die Zeit für die Ausarbeitung neuer Partnerschaftsformate fehlte. Vereinzelt wurde schließlich auch bemerkt, dass es keine Ideen für neue Formate gab.

Abbildung 1

Gründe, warum keine neuen Formen der Zusammenarbeit erarbeitet wurden;   Quelle: Deutsches Polen-Institut 2020

*Es handelte sich um eine offene Frage ohne vorgegebene Antwortmöglichkeiten, sodass die Befragten ihre Antworten selbst formulierten und teilweise auch mehrere Gründe angaben. Bei den Angaben handelt es sich daher um absolute Zahlen, die zu Analysezwecken in Gruppen zusammengefasst wurden.

Neue Formate der Zusammenarbeit

Diejenigen Teilnehmer*innen der Umfrage, die angegeben hatten, neue Formen der Zusammenarbeit ausprobiert zu haben, wurden anschließend um eine genauere Beschreibung dieser neuen Formen gebeten. Am häufigsten wurde hier auf beiden Seiten der Kontakt per Videokonferenz sowie Mail und Telefon genannt. Daneben gab es einige Male gemeinsame digitale kulturelle Aktivitäten, vereinzelt auch im Bereich Sport. In einigen Städten tauschten sich auch die Beamten mit der jeweiligen Partnergemeinde über die Corona-Situation dort und die ergriffenen Maßnahmen aus. Einige Städte schickten Grußbotschaften in ihre Partnerstadt, teilweise wurde auch über die Corona-Situation in der Partnerkommune in den lokalen Medien informiert. Umfrageteilnehmer*innen aus der deutsch-polnischen Grenzregion berichteten über gemeinsame deutsch-polnische Petitionen im Zusammenhang mit Corona.

Abbildung 2

Übersicht über neue Formen der Zusammenarbeit; Quelle: Deutsches Polen-Institut 2020

* Es handelte sich um eine offene Frage ohne vorgegebene Antwortmöglichkeiten, sodass die Befragten ihre Antworten selbst formulierten und teilweise auch mehrere Gründe angaben. Bei den Angaben handelt es sich daher um absolute Zahlen, die zu Analysezwecken in Gruppen zusammengefasst wurden.

 

Best practice – inspirierende Beispiele der Zusammenarbeit

Es gab tatsächlich einige besonders gelungene Beispiele für die Fortsetzung und Weiterentwicklung der Städtepartnerschaft während der Pandemie. So präsentierte etwa die Stadt Krakau auf ihrer Internetseite „Kraków OTWARTY NA ŚWIAT“ (Krakau – offen zur Welt) in der Serie „Przez dziurkę od klucza“ (Durch das Schlüsselloch) Videos ihrer Partnerstädte, sodass die Zuschauer*innen zumindest virtuell dorthin reisen konnten. Unter den Partnerstädten Krakaus befinden sich unter anderem die beiden deutschen Städte Frankfurt am Main und Nürnberg. Künstler*innen aus Hannover und seinen Partnerstädten (unter anderem das polnische Posen) nahmen zusammen digital einen Song auf, der anschließend auf YouTube veröffentlicht wurde.

Abbildung 3 1Screenshot aus „Band Mash Up goes digital“; Quelle: YouTube/MusikZentrum Hannover

Die Europastadt Castrop-Rauxel feierte ihr Europafest in diesem Jahr digital, mit Grußbotschaften von Vertreter*innen ihrer Partnerstädte aus ganz Europa, unter anderem aus dem polnischen Nowa Ruda.

Abbildung 4 1Screenshot aus „70 Jahre ‚Ja‘ zu Europa: Castrop-Rauxel feiert digital das Europafest“; Quelle: YouTube/Stadt Castrop-Rauxel

 

Die Stadt Werne hielt ihren Partnerschaftslauf in diesem Jahr virtuell ab, sodass sich die Läufer*innen aus Werne und u.a. dem polnischen Walcz digital miteinander messen konnten. Und die Bürgermeisterin der Stadt Zabrze übermittelte der Partnerstadt Essen zum 70. Jahrestag der Schuman-Erklärung eine digitale Grußbotschaft.

Abbildung 5 1Screenshot aus „Dzień Europy“; Quelle: YouTube/Telewizja Zabrze

 

Kreativität mit geringer Resonanz?

Die Beispiele zeigen: Es gibt kreative und innovative Ideen, wie auch unter den erschwerten Bedingungen der Corona-Pandemie der Kontakt unter Partnerstädten aufrecht erhalten und vielleicht sogar intensiviert werden kann. Wenn man allerdings die konkreten Zahlen analysiert, ist das Bild nicht mehr ganz so optimistisch. Insgesamt haben eher wenige Partnergemeinden in der schwierigen Zeit der Corona-Pandemie etwas gemeinsam unternommen. Zeit- und Geldmangel bleiben bei solchen Vorhaben immer ein Störfaktor, in der neuen, unstabilen Corona-Situation war dies noch mehr der Fall. Die lokalen Entscheidungsträger und Angestellten mussten sich zuerst auf den Kampf gegen die Epidemie konzentrieren. Und auch wenn die Ideen interessant erscheinen, war die Resonanz meistens eher gering. Die Inhalte der Maßnahmen haben nur eine kleine Gruppe von Menschen erreicht (zum Beispiel nur wenige hundert Aufrufe von Videos auf Youtube). Das ist aber auch typisch für die kommunalen Partnerschaften – die Zielgruppen sind schwer definierbar und oft eher klein.

Auch eine weitere Schlussfolgerung, die die kurze Studie nahelegt, ist charakteristisch für die Partnerschaften: erfolgreiche Erfahrungen motivieren zur weiteren Kooperation. In der Lock Down-Zeit haben die Kommunen oder Städte zusammengearbeitet, die schon vor der Epidemie engere Kontakte gehabt hatten, wo die Vertreter sich schon gut kannten und gegenseitiges Vertrauen bestand. Wie immer, von zentraler Bedeutung waren hier die Motivation und das Engagement von einzelnen Personen. Diese Personen sollen von den Städten unterstützt werden. Das betrifft sowohl eine symbolische Unterstützung – offensichtliche Anerkennung ihres Engagements – als auch die finanzielle Förderung für ihre Vorhaben.

Das Glas ist also eher halb voll als halb leer. Die umfangreiche Studie des DPI zum Thema deutsch-polnische Städtepartnerschaften  zeigt nämlich deutlich, dass nicht nur die Breite, sondern auch die Vielfältigkeit und die große Anzahl der Projekte die Städtepartnerschaften so wichtig macht. Es ist zu hoffen, dass den genannten Beispielen viele weitere anderer deutsch-polnischer Partnerstädte folgen und so die Corona-Pandemie nicht zu einem Rückgang, sondern vielmehr zu einer Transformation und Intensivierung der interkommunalen Kooperation führt.

 Mehr dazu auch während der Veranstaltung:   Städte- und Kommunalpartnerschaften: Relikt oder unverzichtbares Instrument der Europäisierung?

 Das Forschungsprojekt wird realisiert vom Deutschen Polen-Institut und dem Institut für öffentliche Angelegenheiten aus Warschau in Zusammenarbeit mit dem Polnischen Städtebund dank der finanziellen Unterstützung der Deutsch-Polnischen Wissenschaftsstiftung.

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