Polen Global

Polen in der Welt

Die Politik des polnischen Staates gegenüber seinen Diasporen

Das Forschungsprojekt widmet sich der Politik des polnischen Staates gegenüber „seiner“ Diaspora und damit einem Forschungsfeld, das in den vergangenen Jahren zunehmend an Bedeutung gewonnen hat. Mehr als die Hälfte der Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen hat Beziehungen zu ihren Diasporen im Rahmen von diaspora engagement policies etabliert. Diasporapolitiken sind demnach ein globales Phänomen. Sie werden von Staaten initiiert und zielen ab auf die Anerkennung von Diasporagemeinschaften als konstitutiver Bestandteil der globalen Nation und die Institutionalisierung dieser grenzüberschreitenden Beziehungen. Dabei ist es besonders relevant zu untersuchen, wie, d.h. mit Hilfe welcher politischen Maßnahmen, die Einheit dieser globalen Nation immer wieder neu hergestellt und legitimiert wird, insbesondere vor dem Hintergrund interdependenter bilateraler, europäischer und globaler Prozesse.

Aus wissenschaftlicher Perspektive ist die Region Ostmitteleuropa im Hinblick auf Staat-Diaspora-Beziehungen in Europa, aber auch weltweit, von besonderer Bedeutung. Neben den bekannten Emigrationsdiasporen, die durch Auswanderung entstehen und v.a. durch Rücküberweisungen (remittances) für ihr Herkunftsland von Bedeutung sind, pflegen die Staaten der Region vielfach auch Beziehungen zu sogenannten akzidentiellen Diasporen, die durch Grenzverschiebungen entstanden bzw. zu Diasporen, die das Ergebnis von Prozessen der Zwangsmigration (Deportationen, Vertreibungen) sind. Für alle diese Fälle ist Polen, auch aufgrund der Größe sowohl seiner Bevölkerung als auch seiner Diaspora (geschätzt bis zu 18 Mio. Personen weltweit) ein besonders instruktives Beispiel.

Das vorliegende Projekt untersucht anhand von vier Fallbeispielen zur polnischen Diasporapolitik einen Großteil des Spektrums möglicher Politiken gegenüber Diasporen:

  1. Deutschland (großer Anteil an Personen mit polnischer Abstammung EU-Mitgliedschaft, oft angespannte bilaterale Beziehungen)
  2. Großbritannien (große Anzahl an polnischen Migranten, Rücküberweisungen, Brexit)
  3. Kasachstan (zentraler Zielort von v.a. im Zuge des Zweiten Weltkriegs zwangsmigrierten Polen, die später Hauptadressaten des polnischen Repatriierungsgesetzes wurden)
  4. Ukraine (gemeinsam mit Belarus und Litauen wichtigstes Land für Polens akzidentielle Diaspora, die das Resultat von Grenzverschiebungen ist; besondere Rolle als Drittstaatler in Hinblick auf EU und Schengenraum; Spezifika von Diasporapolitik in Kriegszeiten [Krieg im Donbas seit 2014, russischer Angriffskrieg seit 2022]).

Kontrastierend zur Politik Polens gegenüber seinen Diasporen, darunter der Diaspora in Deutschland, untersucht das vorliegende Projekt die Politik der Bundesrepublik Deutschland gegenüber der deutschen Diaspora, d.h. vor allem der deutschen Minderheit, in Polen. Zudem dient Deutschland in der polnischen Debatte häufig als Rollenmodell, was die Implementierung einer Repatriierungspolitik gegenüber „Landsleuten im Ausland“ betrifft. Das vorliegende Projekt ist daran interessiert herauszufinden, wie und in welchem Ausmaß im Bereich Diasporapolitik policy transfers (oder auch policy diffusion) von Deutschland nach Polen stattgefunden haben. Insgesamt wird auf diese Weise eine umfassende Untersuchung der Diasporapolitik Polens geleistet, die einerseits Polen als Fallbeispiel stärker in die internationale wissenschaftliche Debatte einbringt und andererseits die internationale (Theorie- und Methoden-) Debatte in den polnischen akademischen Diskurs über das Thema Diasporen und ihre Rolle in der Politik des Herkunftsstaats einbringt, der bislang noch schwach entwickelt ist.

Projektzeitraum: 2023 – 2025

 Ansprechpartner: Bastian Sendhardt, sendhardt@dpi-da.de

Projektpartner: Zentrum für Migrationsforschung der Universität Warschau (Ośrodek Badań nad Migracjami)

Ośrodek Badań nad Migracjami

Gefördert von: Deutsch-Polnische Wissenschaftsstiftung

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