Idee

Idee

Als sich im April 2000 deutsche und polnische Historiker, Politik- und Kulturwissenschaftler und Journalisten in Stettin zur Konstituierung der »Kopernikus-Gruppe« und zu einem ersten Gespräch über den aktuellen Stand und die Perspektiven der deutsch-polnischen Beziehungen trafen, galten die bilateralen Beziehungen bereits seit geraumer Zeit als herausgefordert durch eine bemerkenswerte Unausgewogenheit.. Zum einen hieß es allenthalben, die Beziehungen zwischen beiden Völkern und Staaten hätten sich in den Jahren seit der Unterzeichnung von Grenz- und Partnerschaftsvertrag in einer geradezu unglaublichen Geschwindigkeit nach vorne entwickelt, die neue Freundschaft halte bereits einem Vergleich mit den Beziehungen zwischen Deutschland und Frankreich stand. Zum anderen wurde zunehmend besorgt von Entschleunigung, Ermüdung und dem Auftreten neuer sogenannter »Irritationen« gesprochen.

Schon um die Jahrtausendwende, zehn Jahre nach dem Abschluss des deutsch-polnischen Nachbarschaftsvertrags, waren die deutsch-polnischen Beziehungen nicht so gut, als dass sie nicht für innenpolitische Zwecke instrumentalisiert werden konnten. Der weitgehende Konsens in den deutschen und polnischen Eliten von 1991, dass sich das bilaterale Verhältnis nicht für interne Profilierungsversuche eigne, schien knapp zehn Jahre später Lügen gestraft zu werden. Der Verlust der Dynamik in den deutsch-polnischen Beziehungen, zunehmende Empfindlichkeiten und die Gefahr von veritablen Rückschritten waren Motiv und Antrieb für das Nachdenken über ein Gegensteuern. Um das Jahr 2000 wurden der Generationenwechsel in den führenden politischen Positionen in Berlin und Warschau, ein sogenannter »Krieg der Resolutionen« zwischen Bundestag und Sejm im Sommer 1998 - damals ging es auch schon um die Vertriebenenproblematik-, Missverständnisse nach dem Wahlsieg von SPD und Bündnis-Grünen, die Frage der Rückgabe kriegsbedingt verlagerter Kulturgüter und die Art, wie die Verhandlungen über die Entschädigung von Zwangsarbeitern in weiten Teilen der polnischen Öffentlichkeit und Medien thematisiert wurden, als neue Herausforderungen und Belastungen für das bilaterale Verhältnis identifiziert.

Diese unbefriedigende Gemengelage war Anlass zu einer Initiative, ausgewiesene und der Verständigung verschriebene Deutsche und Polen der jüngeren und mittleren Generation zu einer Gesprächsrunde einzuladen, der die Initiatoren Dieter Bingen und Kazimierz Wóycicki den Namen »Kopernikus-Gruppe« gaben. Die schließlich als gemeinsames Projekt des Deutschen Polen-Instituts Darmstadt und des eben neu gegründeten Deutschland- und Nordeuropainstituts (Instytut Niemiec i Europy Pólnocnej/INIEP) in Stettin aufgelegte Gesprächsrunde sah sich als eine besonders flexible Ergänzung zu bestehenden bilateralen Gesprächforen.

Nicolaus Copernicus wurde von den beiden Initiatoren des Projekts als Pate gewählt, da er ein vorurteilsfreier Neuerer war, der sich nicht mit dem Stand des Wissens und der Ignoranz seiner Zeit zufriedengab, der innovative Antworten suchte und sich Jahrhunderte vor dem modernen Nationalismus nicht für eine Nation vereinnahmen ließ, der - von Deutschen und Polen gleichermaßen verehrt - ein Europäer im besten Sinne war.

Seit 2019 wird die Gruppe von Waldemar Czachur (Universität Warschau / Stiftung Kreisau) und Peter Oliver Loew (Deutsches Polen-Institut) geleitet.

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