wolffnachbarn

Band Nr. 19

Nachbarn auf Distanz

Polen und Deutsche 1998-2004

Inhalt

Deutsche und polnische Forscher unternehmen den Versuch, die deutsch-polnischen Beziehungen auf den wichtigsten Gebieten zu analysieren und zu bewerten. Den zeitlichen Rahmen bilden der Regierungswechsel in Berlin 1998 und der Beitritt Polens zur Europäischen Union. Die letzten sechs Jahre stellen in den deutsch-polnischen Beziehungen eine Zäsur von epochaler Bedeutung dar - und das nicht nur für diese beiden Staaten. Die Mitgliedschaft Polens in der NATO und in der Europäischen Union bedeutet u.a., dass erstmalig in der Geschichte der Neuzeit beide Staaten in denselben Bündnisstrukturen verankert sind und auf die gleichen Werte und Ziele setzen. Andererseits haben die dramatischen Ereignisse auf internationaler Ebene Unterschiede in den Prioritäten der Außen- und Sicherheitspolitik Polens und Deutschlands herauskristallisiert. Gleichzeitig führt die Anhäufung innerer Probleme in beiden Ländern dazu, dass nach einer Anfangsphase des Aufbaus von Grundlagen „der guten Nachbarschaft und freundschaftlichen Zusammenarbeit“ in den deutsch-polnischen Beziehungen nun die schwierigere Etappe der Verwirklichung der „Interessengemeinschaft“ begonnen hat.
Unterschiedliche Sichtweisen der aktuellen Realität verdecken allerdings nicht die gemeinsame grundlegende Sorge der Autoren darum, dass gegenseitige Loyalität und eine auf Vertrauen beruhende deutsch-polnische Zusammenarbeit die Basis für die bilateralen Beziehungen im europäischen Kontext sein müssen.

Inhaltsverzeichnis

Dieter Bingen: Vorwort zur deutschen Ausgabe

Anna Wolff-Powęska: Vorwort

I. Erfolgsbilanz und Protokoll der Unstimmigkeiten

Anna Wolff-Powęska: Ideelle und politische Voraussetzungen der Entwicklung der deutsch-polnischen Beziehungen (S. 3-20)

Bogdan Koszel: Deutschland – Polen – Europäische Union: Gemeinsame Interessen und Widersprüche. Polnische Erwartungen und deutsche Aktivitäten (1989–1998) (S. 21-58)
 
Elżbieta Stadtmüller: Die Deutschen und die europäische Integration in der Sicht der polnischen Politik und Öffentlichkeit (S. 59-94)

Krzysztof Malinowski: Die polnische und die deutsche Sicherheitskultur und ihre Wandlungen (S. 95-119)

Ilona Romiszewska: Wirtschaft – eine Bilanz von Gewinnen und Verlusten (S. 120-143)

Natalia Jackowska: Erfahrungen mit der Versöhnung im Dialog der Kirchen (S. 144-171)

II. Die Fallen der "Normalität"

Dieter Bingen: Deutsche, Polen und ihre Nachbarn im Osten. Herausforderungen für eine neue Politik (S. 175-196)

Klaus Bachmann: Zweierlei Asymmetrie. Deutschland – Polen und Deutschland – Tschechien. Aufarbeitung der Vergangenheit und die politischen Beziehungen (S. 197-215)

Beata Ociepka: Das Bild der Deutschen und der Polen in den Medien (S. 216-242)

Danuta Berlińska: Die deutsche Minderheit in Polen (S. 243-266)

Basil Kerski: Chancen der Multikulturalität. Die polnischsprachige Gruppe in Deutschland (S. 267-277)

Tomasz Budnikowski: Deutsch-polnische touristische Kontakte und der Prozess der Verständigung (S. 278-290)

Ryszarda Formuszewicz: Erfahrungen und Perspektiven in der Zusammenarbeit von Regionen (S. 291-312)

III. Die Aneignung des Gedächtnisses

Wojciech Pięciak: Historische Diskussionen und ihre Rolle in der kollektiven Erinnerung und in den deutsch-polnischen Beziehungen (S. 315-343)

Adam Krzemiński: Das "deutsche Problem" – das "polnische Problem" (S. 344-363)

Andrzej Sakson: Königsberg – Królewiec – Kaliningrad: eine geopolitische Hinterlassenschaft (S. 364-394)

Robert Traba: Kontroversen um die polnischen und deutschen verlorenen Kulturgüter (S. 395-415)

IV. Mythen und die Wirklichkeit

Edmund Dmitrów: Die Rolle von Mythen und Stereotypen in der gegenseitigen Wahrnehmung (S. 419-450)

Hubert Orłowski: Literatur – nationale Identität – kulturelles Gedächtnis (S. 451-473)

Leszek Szaruga: Das Bild des Deutschen und der deutschen Kultur in der neuesten polnischen Literatur (S. 474-487)

Zu den Autoren
Personenverzeichnis

Rezensionen

"Bevor man (...) von einer Krise spricht: Dieses Buch über 'Polen und Deutsche 1998-2004' ist letztlich ein versammelter Widerspruch gegen die Annahme, die Nachbarn fielen auf das Ausgangsjahr 1989 oder gar dahinter zurück. Inzwischen haben sich die Beziehungen im Alltag (...) dermaßen eingependelt, dass man sich auch nicht ins Bockshorn jagen lassen darf. Ein Jahr nach dem Beitritt Polens zur EU lässt sich sagen: Meinungsunterschiede zwischen Polen und Deutschen über das Zentrum gegen Vertreibung, über Amerika und den Irak oder die Restitutionsansprüche der Deutschen gehören auch zur Normalität der neuen Nähe. (...)
Anna Wolff-Poweska und Dieter Bingen haben mit diesem Buch den besten Beweis geliefert, dass Polen und Deutsche gut beraten wären, auf ihre kleine gemeinsame Elite mehr zu hören als auf diejenigen, die - heimlich oder offen - nur national-polnische oder deutsch-nationale Gespenster wiederbeleben."
Gunter Hofmann in: Die Zeit 2005, Nr. 50 (16. Juni)

"In dem voluminösen Band (...), in dem die polnischen fundierten Stimmungslagen überwiegen, erweist sich die (...) angebotene dialogische Hilfestellung auch als wertvoller polnischer Nachhilfeunterricht, in dem der deutsche Leser so manche Mythen und Stereotypen mit dem Blick auf die eigenen verschwommenen Vorstellungen von einer 'anderen' Zivilisation abbauen kann."
Wolfgang Schlott in: Deutschland Archiv 5/2005, S. 929 f., ebenfalls in: Halbjahresschrift für südosteuropäische Geschichte, Literatur und Politik 21/2009, H. 1, S. 130 f.

"Wer sich über die aktuelle polnische Deutschlandwahrnehmung informieren will, findet in diesem Band ein differenziertes Bild unterschiedlicher Diskussionen. Es wäre wahrscheinlich mangels personeller Kapazität schwierig, von deutscher Seite einen ähnlichen Band über die deutsche Polenwahrnehmung zusammenzustellen, zumal wir (...) von einer 'Asymmetrie' der Wahrnehmung ausgehen müssen. Wer einen offenen Dialog mit Polen, der den einzigen Ausweg aus der Beziehungskiste weist, will, sollte sich intensiv und kritisch mit den in diesem Band vertretenen Positionen auseinandersetzen."
Wolfgang Kessler in: ABDOS-Mitteilungen 25/2005, Nr. 1, S. 25 f.

"(...) besitzt dieser Band einen doppelten Charakter: einerseits kann er tatsächlich als Quelle gelesen werden, in der verschiedene Diskurse auf dem Gebiet der deutsch-polnischen Beziehungen der Gegenwart durch einzelne Protagonisten zur Sprache kommen (...), andererseits präsentiert er gleichzeitig detailreiche Einzelstudien, die differenziert erste Einblicke in eine Reihe von Problemfeldern der polnisch-deutschen Beziehungen liefern (...).
Die Beiträge der zum Großteil polnischen Autoren sind in drei übergreifenden Abschnitten organisiert und decken eine beachtliche Spannweite von Themen ab (...). Eine solch breite Streuung vermittelt naturgemäß jeweils erste Einblicke und keine Tiefenanalysen; dabei variieren die Beiträge eine zwar in Nuancen abweichende, aber grundsätzlich übereinstimmende zurückhaltende Einschätzung der aktuellen deutsch-polnischen Beziehungen nach 1998."
Steffi Franke in: H-Soz-u-Kult vom 3.11.2005 (Zur gesamten Rezension)

"Das Urteil über dieses ausführliche, informative und erfreulich interdisziplinär konzipierte Kompendium fällt nicht schwer. Sieht man von kaum zu vermeidenden thematischen Redundanzen sowie dem Umstand ab, dass sich einige wenige Autoren hätten kürzer fassen können, so bleibt doch insgesamt festzustellen, dass wir es bei 'Nachbarn auf Distanz' mit einer informativen und lesenswerten Zwischenbilanz der deutsch-polnischen Beziehungen zu tun haben, der man eine möglichst weite Verbreitung wünschen darf."
Zbigniew Wilkiewicz in: Aktuelle Ostinformationen 3/4 2005, S. 64-69

"Das bedrückende Fazit der Lektüre: Beide Seiten kennen die gegenseitigen Realitäten, Wahrnehmungsmuster und Empfindlichkeiten so wenig, daß es kaum verwundern kann, wenn es immer wieder zu Reibungsverlusten kommt. Insofern hat die vorliegende Publikation eine wichtige Aufklärungsfunktion."
Viktoria Pollmann in: Osteuropa 2005, H. 12