Band Nr. 10
Jerzy Jedlicki: Die entartete Welt
Die Kritiker der Moderne, ihre Ängste und Urteile
Inhalt
Jerzy Jedlickis glänzend geschriebene Geschichte der Verzweiflung und des Kulturpessimismus ist eine spannende Lektüre: Der polnische Ideenhistoriker zeichnet nach, unter welchen Ängsten die Intellektuellen des 19. und 20. Jahrhunderts zu leben hatten.
Die Einsicht in Schattenseiten des Fortschritts entstand keineswegs nur an den europäischen Peripherien. Auch im viktorianischen England oder im Frankreich des Fin de siècle machten viele Denker die Feststellung, daß die Zeit des Fortschritts in mancher Hinsicht eine Zeit des Rückschritts ist: Die schöne neue Welt, die von den Propheten der Moderne angekündigt wird, stellt sich als eine Welt der Unsicherheit und der Krise heraus. Jerzy Jedlicki macht demgegenüber klar, daß »die permanente Krise die Voraussetzung für die Entwicklung der europäischen Zivilisation darstellt und daß in jeder Phase ihrer Geschichte die Kritiker der Moderne meinten, daß es eine Krise, wie sie sie gerade erfuhren, nie zuvor gegeben habe«.
Jerzy Jedlicki (geb. 1930) ist als Historiker an der Polnischen Akademie der Wissenschaften spezialisiert auf Ideengeschichte und die Geschichte der Intellektuellen.
Inhaltsverzeichnis
Vorwort zur deutschen Ausgabe
1. Drei Jahrhunderte Verzweiflung. Die Genese der Idee von der Krise der europäischen Zivilisation
Wann begann die Krankheit der Zivilisation?
Das entartete Tier
Die Plagen von Philosophie und Algebra
Das Mechanische Zeitalter
Aufwärts, also abwärts
Wehe der Vernunft!
Segensreiche Krise
Postskriptum 1999
2. Das negative Stereotyp des Westens
3. Der Prozeß gegen die Stadt
4. Degeneration à la anglaise
Die viktorianischen Kulturkritiker
Evolution und moralischer Fortschritt
Fin de Siècle
Schönes neues Jahrhundert
5. Die Intellektuellen als europäische Spezies
6. Good-bye to all that
Zum Autor und seinem Werk
Personenverzeichnis
Rezensionen
"grandiose Studie" (...)
"Alleine Jedlickis kurzer Aufsatz über Geschichte und Ausblick des europäischen Intellektuellen würde schon die Anschaffung des Buches lohnen. Insgesamt ist 'Die entartete Welt' lehrreich, klug und verständlich geschrieben, dabei aber keinesfalls trivial. Wohltuend, dass der Autor jedem affektierten Alarmismus abschwört, aber im Zweifel Partei ergreift. Jeder, der seine Weltuntergangsprophezeiungen noch 'perfektionieren' möchte, sollte hier erst einmal nachschlagen - es gibt fast nichts, was nicht schon vor einhundert oder einhundertfünfzig Jahren prognostiziert wurde."
Gregor Keuschning in Glanz@Elend. Magazin für Literatur und Zeitkritik. [Vollständige Rezension]
"Jedlicki verspottet die Propheten des Untergangs nicht. Mit milder Ironie betrachtet er ihre vergangene Zukunft. Im Lamento über die gefährdete Kultur erkennt er ein Merkmal der europäischen Geistesgeschichte seit dem 17. Jahrhundert. Der permanente Krisendiskurs ist für Jedlicki 'das institutionalisierte Funktionsprinzip dieser und nur dieser Zivilisation' und daher kein Grund zur Sorge. Seine Essays sind ein sympathisches Lob für die 'segensreiche Krise'."
Andreas Mix in: Berliner Zeitung, 21.1.2008
"Jedlickis Buch ist ein pointiertes Plädoyer gegen jedwede 'Hysterie' und jedwedes 'penetrante Moralisieren' - und doch sieht der Autor in der 'Krise' auch einen 'segensreichen Zustand', gar eine conditio sine qua non für die Entwicklung der europäischen Zivilisation. (...)
Der Untergang des Abendlandes hat sich jedenfalls - auch dies ist eine Erkenntnis des Bandes - bisher noch immer Zeit gelassen."
Daniel Jütte in: Neue Zürcher Zeitung, 30.4.2008