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SŁAWOMIR MROŻEK Zabawa. Satire in lustloser Zeit

Inhalt

Eine Werkauswahl.
Ausgewählt und mit einem Vorwort versehen von Andrzej Wirth.
1992. 328 S. Abb. Ln. EUR 19,80 (3-518-40453-9).

Sławomir Mrożek ist auch in Deutschland längst kein Unbekannter mehr: Seine seit den fünfziger Jahren entstandenen satirisch-absurden Kurzgeschichten und Theaterstücke, die auch in Deutschland intensiv rezipiert wurden, sind in der Schärfe des Blicks auf die Zeit des Stalinismus unübertroffen.
Die vorliegenden Texte, die mit Ausnahme des Titelstücks Zabawa alle aus den achtziger und beginnenden neunziger Jahren stammen, begleiten den Zusammenbruch dieses Zwangssystems und belegen zugleich die Fruchtbarkeit einer Kritikform, die die inneren Tendenzen und Versprechungen eines Systems so zu Ende denkt, dass seine Absurdität offenbar wird.

Sławomir Mrożek, 1930 geboren, studierte Architektur, Kunstgeschichte und Orientalistik. Er debütierte als Zeichner und Autor kurzer satirischer Erzählungen, die 1957 (dt. 1960) unter dem Titel Der Elefant erschienen und ihn populär machten. Seit Ende der 50er Jahre verfasst er auch Theaterstücke. Seit 1963 lebte Mrożek im Ausland, lange Jahre in Paris und in Mexiko. 1996 kehrte er nach Krakau zurück.

Inhaltsverzeichnis

Das neue Leben

Ich faßte den Vorsatz, ein neues Leben zu beginnen. Ein für allemal und unwiderruflich. Blieb nur noch die Frage: ab wann?
Die Antwort unterlag keinerlei Zweifel: ab morgen.
Als ich am nächsten Morgen aufwachte, stellte ich fest, daß wieder heute ist, ganz genauso wie gestern. Da ich das neue Leben morgen hätte beginnen sollen, konnte ich das neue Leben nicht heute beginnen.
Noch ist nichts verloren, dachte ich mir. Morgen wird auch morgen sein.
Und ruhig verlebte ich den Tag auf alte Weise. Nicht nur ohne Gewissensbisse, sondern auch voller Hoffnung und guten Mutes.
Was aber, als am nächsten Morgen wieder heute war, genau wie gestern und vorgestern?
Das ist nicht meine Schuld, dachte ich mir, daß so ein Teufel ständig morgen in heute verwandelt. Mein Vorsatz ist fest und unerschütterlich. Versuchen wir s noch mal, vielleicht wird es diesem Teufel einmal langweilig, und morgen wird endlich morgen sein.
Leider kam es nicht so. Ständig nur heute und heute. Schließlich verlor ich die Hoffnung. Dieses Morgen wird wohl nie kommen, dachte ich mir. Angesichts dessen sollte man vielleicht das neue Leben nicht morgen, sondern heute anfangen?
Sofort jedoch sah ich die Absurdität einer solchen Idee ein. Denn wenn heute sich ununterbrochen seit Urzeiten wiederholt, muß es schon uralt sein und jedes Leben heute auch. Neues Leben ist neues Leben, es ist nur von neuem, das heißt ab morgen möglich, wenn es wirklich neu sein soll.
Und ich ging mit dem festen Vorsatz schlafen, daß ich morgen ein neues Leben beginnen würde. Denn trotz allem gibt es doch immer irgendein Morgen.

1991

Ü: Mechthild Stoer

Rezensionen

"Die neuen Satirenn sie sind fast alle erstmals ins Deutsche übersetzt worden bedeuten mehr als die Suche nach Pointen. In der Konzentration auf den Kern der Dinge erweist sich Mrożek als Meister."
Main-Echo