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WŁADYSŁAW STANISŁAW REYMONT In der Opiumhöhle

Inhalt

Unbekannte Erzählungen des Autors der "Bauern".
Herausgegeben und mit einem Nachwort versehen von Jan Zieliński.
Aus dem Polnischen von Olaf Kühl und Renate Schmidgall.
1989. 290 S. Ln. EUR 18,80.

Ein unbekannter Reymont (1867-1925) ist vorzustellen; Reymont ist der Autor des auch in deutscher Übersetzung vorliegenden Romans Die Bauern, jenes monumentalen Epos der polnischen Landbevölkerung, für das er 1925 als zweiter polnischer Schriftsteller, nach Sienkiewicz und vor Miłosz, den Nobelpreis für Literatur erhielt.
Die vorliegende Auswahl, um vier Themenbereiche gruppiert (Drogen, Mystik, Erotik, Politik), versammelt Schriften Reymonts, die sich einer genauen Einordnung entziehen: Texte zwischen Erzählung, Reportage, Traumstück. In ihnen geht es um Drogenerfahrung in einer Londoner Opiumhöhle, mystisch- religiöse Erlebnisse auf einer Wallfahrt nach Jasna Góra, um Traumgeschichten, in denen Erotik, Tod und religiöse Ekstase sich unentwirrbar vermischen, um den visionären Fall eines Despoten und seines reiches, um  den Kampf der unierten Katholiken gegen die russische Machtpolitik in den ostpolnischen Gebieten.

Inhaltsverzeichnis

Ein seltsamer Schauder überkam mich und nahm mir jede Willenskraft. Mit einem angenehmen Gefühl leichter Angst schloß ich die Augen. Eine zarte Berührung und eine sehr einnehmende Stimme veranlaßten mich, die Lider wieder zu heben, und vor mir stand, soweit ich in dem Dämmerlicht erkennen konnte, ein junges Mädchen, eins von jenen wunderbar feingliedrigen Wesen, die den Charme und die Süße der Japanerin verkörpern. Sie war so schön, daß sie mir eher wie ein Traumbild als wie eine Frau vorkam; ich konnte den Blick nicht von ihr wenden. Sie reichte mir ein langes, in einen großen Bernstein mündendes Pfeifenrohr. Ich nahm es zwischen die Lippen, während sie niederkniete, mit ihren lächerlich kleinen Händen einen Opiumkegel knetete, ihn in den Pfeifenkopf steckte, eine Flamme daranhielt und im reinsten Englisch flüsterte: Ziehen Sie den ganzen Rauh ein.
Gesagt, getan.
Ich verspürte den ekelhaften, geradezu widerwärtigen Geruch verbrannten Opiums. Eine unglaubliche Schwere verbreitete sich in meinen Adern, meine Lider sanken zu, die Pfeife entglitt meinen Händen, ich hatte nicht die Kraft, sie festzuhalten. Ich merkte, wie ich fiel, wollte aufspringen, nach vorn stürzen, da durchfuhr mich ein seltsamer, starker Schmerz und ich weiß noch, wie ich in dieses Zauberbecken stürzte.

Rezensionen

"Die vorliegende Auswahl, von Olaf Kühl und Renate Schmidgall sorgfältig übersetzt, zeigt Reymont als einen subtilen Stilisten; sie ist zudem ein charakteristisches Dokument der polnischen Mentalität."
Tadeusz Nowakowski, Frankfurter Allgemeine Zeitung