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KORNEL FILIPOWICZ Der Kater im nassen Grass

Inhalt

Erzählungen.
In Zusammenarbeit mit dem Autor ausgewählt und aus dem Polnischen übertragen von Klaus Staemmler.
Mit einem Nachwort von Teresa Walas.
1987. 337 S. EUR 19,80 (3-518-4444-3).

Kornel Filipowicz, einer der angesehensten Vertreter der polnischen Gegenwartsliteratur, wird hier mit 24 Erzählungen vorgestellt, die ihn als Meister der kurzen Form und Beobachter der Poesie des Alltags kennzeichnen.

Inhaltsverzeichnis

Physiologie

Das Tischchen, an dem wir uns gegenübersitzen, Maria und ich. Zwei Tassen und zwei Gläser, die auf der Marmorplatte des Tischchens stehen, spiralförmig zusammengedrehte Papierservietten im Eisbecher, die längliche Handtasche aus Wildleder am Tischrand, nicht weit von Marias linker Hand. Marias Gesicht, ihre Augen, die mich anblicken, ihr Mund, der sich bewegt, Marias Worte, die ich höre, und ihre Gedanken, die ich zu erraten versuche. Vor dem Fenster hängt eine Gardine, doch ein Steifen Sonnenlicht hat sich zwischen Gardine und Fensterrahmen hindurchgedrängt, die Luft durchschnitten, den Rand des Marmortischchens erreicht und läßt ihn weiß aufglühen. Es wirkt wie lebendiges Feuer. Das Licht fällt dann auf den Fußboden , legt sich flach darauf und erhellt ein schmales Rechteck des Parketts, als wäre gerade an dieser Stelle jemand mit dem Hobel darübergefahren und hätte unter der dunklen Oberfläche die rohe Holzschicht hervorgeholt. Straßenlärm jenseits des Fensters, Gespräche und Gelächter an den Nachbartischen. Unsere Existenz an diesem Ort und zu dieser Zeit, unsere, Marias und meine Anwesenheit, die Worte, die wir aussprechen, und die Gedanken, die wir verbergen, die Absichten, die wir voneinander geheimhalten. Die Liebe, die uns zueinanderzieht, und die Unsicherheit, die uns zurückhält. Die Unsicherheit verwandelt sich zeitweilig in Abneigung, die uns abstößt, doch das Gefühl zieht uns wieder an, denn wir sind ja nur aus diesem Grund hier.

Rezensionen

"[Filipowicz'] von der Naturwissenschaft geschulte, hoch auflösende Beobachtungsgabe richtet sich auf Menschen, Gegenstände und Tiere gleichermaßen, doch beschränkt sich seine Erzählkunst nicht auf die bloße Wiedergabe von Beobachtetem oder Vorgefundenem. Er ist vielmehr einem psychologischen, ethischen Realismus verpflichtet."
Klaus-Peter Walter, Frankfurter Allgemeine Zeitung