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POLNISCHE RENAISSANCE.

Inhalt

Ein literarisches Lesebuch von Wacław Walecki.
Aus dem Polnischen und dem Lateinischen übersetzt und nachgedichtet von Hans-Peter Hoelscher-Obermaier.
1996. 344 S. Farbtaf. Ln. EUR 17,80 (3-518-40782-1).
[Betr. die Zeit um das 16. Jh.].

Das Geistesleben der Renaissance wurde von zwei grundlegenden Faktoren bestimmt: dem Humanismus und der Reformation. Aus den humanistischen Interessen erwuchsen ganze Zweige der Renaissanceliteratur: Geschichtsschreibung und Philologie, Betrachtungen über den Menschen, seinen Charakter, seine Sitten und Bräuche, das Erstellen idealer Verhaltensmuster der einzelnen Stände bis hin zur politischen Literatur, die den Staat, seinen Aufbau und seine Sicherung zum Thema machte.
Die Reformation ließ die christliche Dogmatik in ihren Grundsätzen unangetastet und richtete sich vor allem gegen organisatorische und ethische Unzulänglichkeiten innerhalb der katholischen Kirche. Die Autorität der kirchlichen Tradition wurde durch die Autorität der Heiligen Schrift ersetzt. In diesem Zusammenhang entstand eine umfangreiche polemische Literatur gegen die römische Kirche, in der es um die Interpretation der elementaren christlichen Glaubenswahrheiten ging.
Die polnische Renaissancedichtung stützt sich auf zwei Eckpfeiler: das Werk von Mikolaj Rej (1505–1569) und das von Jan Kochanowski (1530–1584).
Entsprechend dem weitgespannten Literaturbegriff der Epoche, zeichnet die reich bebilderte Sammlung anhand vielfältiger Beispiele aus Dichtung und Prosa ein umfassendes und plastisches Bild nicht nur der polnischen Literatur des 16. Jahrhunderts, sondern auch des Lebens jener Zeit.

Wacław Walecki, der Herausgeber, ist Professor für polnische Literatur an der Jagellonen-Universität in Krakau.

Inhaltsverzeichnis

Jan Kochanowski
Klagelied XIII

Du nahmst mir, kurz gesagt, die Hälfte meiner Seele,
Der Rest verblieb mir, daß die Sehnsucht ewig schwele.
Hier, Maurer, sollt ihr einen glatten Stein mir setzen,
Um diese unheilvolle Grabschrift einzumetzen:
Ursula Kochanowska liegt hier, das Behagen
des Vaters,
doch noch mehr sein Weinen und sein Klagen.
Vertauschet hast Du, gedankenloser Tod, die Rollen:
Nicht ich hätt´ sie, sie hätte mich beweinen sollen.

Rezensionen

"Die Auszüge aus der politischen Publizistik und dem religiösen Schrifttum des sechzehnten Jahrhunderts, die der Krakauer Polonist Walecki in seine Anthologie der polnischen Renaissance aufgenommen hat, vermittelt eine Vorstellung von dem frischen Klima humanistischen Aufbruchs, in dem religiöse Auseinandersetzungen, von der Obrigkeit weitgehend unbehelligt, nur mit Tinte und Druckerschwärze ausgetragen wurden. Das breite Spektrum von Gattungen und Themen, das die Sammlung bietet neben der genannten Prosa bildet die lateinische und polnischsprachige Dichtung einen weiteren Schwerpunkt, wird von der für die Renaissanceliteratur charakteristischen Spannung von Humanismus und Reformation, von Weltoffenheit und religiöser Inbrunst, von frivolem Renaissancehumor und reformatorischem Ernst durchzogen."
Konrad Führmann, Frankfurter Allgemeine Zeitung