12.02.2025

Wird ein weiterer Rekord gebrochen werden? Die erwartete Wahlbeteiligung und die mögliche Enttäuschung

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Die polnischen Präsidentschaftswahlen erfreuen sich traditionell eines großen Interesses bei den Bürgerinnen und Bürgern, was zu einer im Vergleich zu den anderen Wahlen hohen Wahlbeteiligung führt. Der Präsident in Polen verfügt über relativ viele Befugnisse, weshalb seine Wahl vielen Bürgern wichtig erscheint. Außerdem ist diese Wahl aus Sicht der Wählerinnen und Wähler die am wenigsten komplizierte, da man aus einer kleinen Zahl von Kandidaten für eine einzige Person stimmt.

Die derzeitige Polarisierung in der polnischen Gesellschaft und auf der politischen Bühne führt dazu, dass die beiden politischen Hauptlager besonders stark diejenigen Wähler ansprechen, die zögern, überhaupt zur Wahl zu gehen und ihre Stimme abzugeben. Denn es ist kein Geheimnis, dass das Endergebnis letztlich von der Wahlbeteiligung abhängen kann - es kann zu einem Kopf-an-Kopf-Rennen kommen, bei dem am Ende Nuancen entscheiden     .

Die hohe Wahlbeteiligung, vor allem unter jungen Menschen, hat zum Sieg der derzeitigen Regierungskoalition bei den Parlamentswahlen im Herbst      2023 und damit zur Ablösung der Regierung von Recht und Gerechtigkeit (PiS) geführt. Damals lag die Wahlbeteiligung bei 74,38 % und stellte damit einen Rekord für die höchste Wahlbeteiligung in der gesamten Geschichte des unabhängigen Polens auf. Es ist daher legitim zu fragen, ob die damalige Mobilisierung der Wählerschaft bei den Präsidentschaftswahlen im Jahr 2025 wiederholt      werden kann. Einige, die die heutige Regierungskoalition unterstützt haben, sind von deren      Arbeit soweit enttäuscht, dass sie nur am ersten Wahlgang teilnehmen und bei der Stichwahl      zu Hause bleiben wollen (mehr dazu hier). Zum jetzigen Zeitpunkt lässt sich nur schwer vorhersagen, ob es sich dabei nur um ein aktuelles Stimmungsbild handelt oder ob einige derjenigen, die 2023 die Wahlbeteiligung positiv beeinflusst haben, nun tatsächlich passiv bleiben werden. Es ist auch schwierig, ein klares Urteil darüber zu fällen, ob dies vor allem ein Problem für Rafał Trzaskowski sein wird, obwohl es in der Tat weitgehend seine Wählerschaft ist.

Was sagen die Umfragen?

Wie bei den Parlamentswahlen sind auch bei den Präsidentschaftswahlen alle polnischen Staatsbürger wahlberechtigt, die am Wahltag mindestens 18 Jahre alt sind (mehr zum Wahlsystem und Wahlrecht hier). Die Stimmabgabe ist im Wahllokal möglich. Briefwahl oder die Stimmabgabe durch einen Bevollmächtigten sind Ausnahmen für ältere und schwerkranke Menschen.

Laut einer Umfrage von Opinia24 im Auftrag von Radio ZET wollen 68 Prozent der Befragten „Auf jeden Fall“ und 19 Prozent „eher“ an der Wahl teilnehmen                                , was eine Gesamtbeteiligung von 87 Prozent ergibt. In einer vom Meinungsforschungsinstitut IBRIS für das Onlineportal Onet durchgeführten Untersuchung wiederum gaben insgesamt 62,2 Prozent der Befragten an, dass sie an d     er Wahl teilnehmen würden, wovon 46,2 Prozent die Antwort „auf jeden Fall“ und 16 Prozent „eher ja“ wählten. Dieses Beispiel zeigt bereits, wie schwierig es ist, abzuschätzen, wie viele Personen letztendlich an den Wahlen teilnehmen werden. Gleichzeitig ist zu bedenken, dass einige Befragte dazu neigen, dem Interviewer ihre Absicht der Wahl fern zu bleiben, nicht mitzuteilen, da eine Nichtteilnahme als unsoziales Verhalten wahrgenommen werden könnte.

Was sagt uns die Erfahrung aus der Vergangenheit?    

Umso interessanter ist es, in die Geschichte zu schauen. Die höchste Wahlbeteiligung bei Präsidentschaftswahlen nach 1989 wurde bei der Stichwahl im Jahr 1995 verzeichnet, als Aleksander Kwaśniewski und Lech Wałęsa um das Präsidentenamt kämpften. Die niedrigste Wahlbeteiligung war dagegen im ersten Wahlgang 2015 zu vermelden, wobei      in der anschließenden Stichwahl Andrzej Duda gewann. Damals betrug die Wahlbeteiligung noch nicht einmal 50 Prozent. 2005 gab es eine ähnliche Situation.

Die Wahlbeteiligung bei den Präsidentschaftswahlen war bisher wie folgt:

1990. 1. Wahlgang - 60,63 Prozent, 2. Wahlgang - 53,40 Prozent

1995. 1. Wahlgang - 64,70 Prozent, 2. Wahlgang - 68,23 Prozent.

2000. 1. Wahlgang - 61,12 Prozent

2005. 1. Wahlgang - 49,74 Prozent, 2. Wahlgang - 50,99 Prozent

2010. 1. Wahlgang - 54,94 Prozent, 2. Wahlgang - 55,31 Prozent

2015. 1. Wahlgang - 48,96 Prozent, 2. Wahlgang - 55,34 Prozent

2020. 1. Wahlgang - 64,51 Prozent, 2. Wahlgang 68,18 Prozent.

 

Die Wahlbeteiligung wird natürlich nicht nur von politischen Faktoren, wie Interesse oder     Unzufriedenheit mit der aktuellen Politik, dem Wahlkampf und den Kandidaten selbst beeinflusst, sondern auch von vielen anderen Faktoren: vom Wetter und von unerwarteten Ereignissen. Deshalb ist es so schwer abzuschätzen, wie viele am Ende am 18. Mai und am 1. Juni an den Urnen erscheinen werden.

Für welchen Kandidaten eine höhere Wahlbeteiligung von Vorteil ist und für welchen nicht, lässt sich ebenfalls nur schwer abschließend beurteilen. Diese Frage wird im Falle der Stichwahl von entscheidender Bedeutung sein, wenn die Unterschiede zwischen den beiden Kandidaten wahrscheinlich sehr gering sein werden. Auf der Grundlage der Parlamentswahlen von 2023 kann man zu dem Schluss kommen, dass die Gruppe, die vielleicht zu Hause bleibt oder sich dennoch entscheidet, zur Wahl zu gehen, eher die Wähler von Rafał Trzaskowski sind. Aber auch die Wähler von Slawomir Mentzen aus dem ersten Wahlgang (Umfragen sehen diese Gruppe derzeit bei etwa 15 %) sind wichtig. Wie viele von ihnen den PiS-Kandidaten und wie viele den KO-Kandidaten unterstützen und wie viele zu Hause bleiben werden, ist schwer vorherzusagen.