26.01.2021 - Gesellschaft , Politik, Kultur, Geschichte

Polnische Frauen in der Wirtschaft

Frauenpower 4

In Deutschland wird wieder über eine Frauenquote in Unternehmen diskutiert. Polen hat hierzu keine Regelungen. Was aber die Besetzung von Führungspositionen in der Wirtschaft mit Frauen angeht, so steht Polen EU-weit an der Spitze. Vier von zehn in Polen angemeldete Unternehmen werden von Frauen geleitet.

Vor einigen Tagen hat die Bundesregierung einen Gesetzentwurf über die Frauenquote gebilligt. Wenn das Gesetz in Kraft tritt, soll in Vorständen, wenn diese aus mehr als drei Mitgliedern bestehen, mindestens eine Frau sitzen. Die neue Regelung zur Frauenquote motiviert zu fragen, wie die Situation in Deutschland in diesem Bereich eigentlich im Vergleich zu anderen EU-Ländern aussieht, speziell zu Polen.  

Die Frauenquote ist in Deutschland seit 2016 vom „Gesetz für die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern an Führungspositionen“ geregelt. Mindestens 30% der Stellen in Vorständen börsennotierter und paritätisch mitbestimmter Unternehmen müssen von Frauen besetzt werden. Dies betrifft 105 deutsche Firmen. Der Frauenanteil in Leitungspositionen ist nach der Verabschiedung des Gesetzes in Deutschland tatsächlich von 21,9 auf 32 Prozent gestiegen.

In Polen gibt es derzeit keine gesetzlichen Vorschriften hinsichtlich der Frauenquote, es gelten nur die offiziellen Empfehlungen der Warschauer Wertpapierbörse und des Ministeriums für Staatsvermögen. Diese weisen aber nur auf eine ausgewogene Beteiligung von Frauen und Männern bei der Ausübung von Führungspositionen in Vorständen und Aufsichtsräten hin und legen die empfohlene Anzahl von Frauen in Aufsichtsräten der Gesellschaften in Staatsbesitz fest.

Polen auf Platz 1 in der EU

Obwohl es in Polen keine feste Quotenregelung gibt, die die Besetzung von Führungspositionen bestimmen würde, belegt Polen laut Index of Women Entrepreneurs 2020, der jährlich von Mastercard erstellt wird, den fünften Platz unter 58 untersuchten Ländern der Welt und den ersten unter den 11 untersuchten EU-Mitgliedern. Der Index analysiert die Faktoren, die den geschäftlichen Erfolg von Frauen in 58 Ländern, die zusammen fast 80 % der weiblichen Erwerbsbevölkerung der Welt repräsentieren, fördern oder hemmen. Die Rangliste wird von Israel angeführt, gefolgt von den Vereinigten Staaten und der Schweiz. Dann kommen Neuseeland und Polen, die vor dem Vereinigten Königreich und Kanada liegen. Nach Polen sind die nächstplatzierten EU-Länder Schweden (Platz 8) und Spanien (Platz 10), dazwischen liegt Australien. Deutschland belegt Platz 28.

 

Zu ähnlichen Schlussfolgerungen kommt der neuste Bericht „Women in Business“. Laut der Studie werden in Polen bis zu 38 Prozent der höchsten Positionen in Unternehmen (Vorsitzende, Vorstandsmitglieder und Abteilungsleiterinnen) von Frauen bekleidet. Das ist ein Anstieg von 3 Prozentpunkten im Vergleich zu 2019. Weltweit liegt der Anteil der Frauen in Führungsetagen bei 29 Prozent, in den Ländern der Europäischen Union bei 30 Prozent. Unter den 32 Ländern, die in die Untersuchung einbezogen wurden, belegt Polen mit seinem Ergebnis somit weltweit einen der vorderen Plätze — das Land rangiert auf dem dritten Platz gleich nach den Philippinen (43 Prozent) und Südafrika (40 Prozent). Das nächstplatzierte EU-Land ist Spanien auf dem sechsten Platz. Am geringsten ist der Anteil weiblicher Vorstandsmitglieder in Japan (12 %), Südkorea (17 %) und den Vereinigten Arabischen Emiraten (23 %).

Es gibt auch immer weniger polnische Unternehmen, die gar keine Frau an der Spitze haben. Unternehmen, die keine Frauen in Führungspositionen beschäftigen, machen in Polen 9 % (ein Prozentpunkt weniger als im Jahr 2019) aus. Das ist deutlich unter dem Durschnitt der Europäischen Union, der bei 16 % liegt. Nur sieben andere untersuchte Länder haben einen niedrigeren Wert als Polen.

Die offiziellen EU-Zahlen bestätigen den Trend. Nach der letzten vom Statistischen Amt der Europäischen Union (Eurostat) veröffentlichten Statistik über die Anzahl der Frauen in Führungspositionen landete Polen auf dem zweiten Platz (41,8 %), gleich hinter Lettland und vor Slowenien. Deutschland liegt mit 29,4 % auf Platz 20 hinter Rumänien und Griechenland. In der Mitte positionieren sich das Vereinigte Königreich (36,5 %), Portugal (34,7 %), Frankreich (33,5 %) und Belgien (33,5 %).

 

Die Statistiken deuten darauf hin, dass der hohe Anteil dererwerbstätigen Frauen in Führungspositionen nicht unbedingt mit den  Entwicklungsindikatoren eines Landes zusammenhängt. In der ersten erwähnten Rangliste liegen Länder wie Thailand, Argentinien, Vietnam, Mexiko oder Chile weit vor Deutschland. Höchstwahrscheinlich zwingt die angespannte wirtschaftliche Lage die Frauen, arbeiten zu gehen und  berufliche Risiken einzugehen, wie zum Beispiel die Unternehmensgründung. Bestimmt spielen auch weitere Faktoren eine Rolle, z.B. die Bedeutung von mittelständischen Handwerksbetrieben oder die Verfügbarkeit von Kitaplätzen.

Aufholbedarf in Aufsichtsräten

Langsam wächst der Anteil der polnischen Frauen in Aufsichtsräten. Positive Trends sind am deutlichsten bei den größten börsennotierten Unternehmen zu erkennen. Wie sich aus der sechsten Ausgabe des Berichts „Women in the Boardroom: A Global Perspective“, ergibt, der von dem Beratungsunternehmen Deloitte erstellt wurde, betrug im Jahr 2019 der Frauenanteil in den Aufsichtsräten in Polen 15,8 Prozent; ein Anstieg von 0,6 % im Vergleich zu 2017. An der Spitze stehen Frauen in nur etwa 8,7 % der Aufsichtsräte, was aber dennoch einer Zunahme im Vergleich zu 2017 von fast einem Prozent entspricht. Diese Ergebnisse sind deutlich höher bei Unternehmen, die im „WIG20“ enthalten sind, einem Index der 20 größten an der Warschauer Wertpapierbörse notierten Aktiengesellschaften. Frauen besetzen 23 % der Plätze in den Aufsichtsräten, was einen Anstieg von 4 Prozent im Vergleich zu den vor zwei Jahren vorgestellten Untersuchungsergebnissen bedeutet, und in 29 Prozent dieser Organisationen (Rückgang von einem Prozent) bekleiden sie den Posten einer Vorsitzenden. Der Deloitte-Bericht zeigt zudem, dass Deutschland das beste Ergebnis erzielte, was den Anteil der Frauen in Aufsichtsräten betrifft. Im Jahr 2019 überstieg dieser Anteil zum ersten Mal 30 Prozent.

Eigene Firmen – Luft nach oben

Derzeit gibt es in Polen 0,79 Mio. Frauen und 1,56 Mio. Männer, die ein eigenes Gewerbe betreiben, d.h. die Anzahl der Frauen, die ihr eigenes Unternehmen angemeldet haben, ist halb so groß wie die Anzahl der Unternehmen im Besitz von Männern.

Doch zu wenig präsent

Auch wenn die polnischen Zahlen erfreulich sein mögen, da Polen sehr oft weit oben auf den Ranglisten steht, sollte betont werden, dass es noch ein langer Weg ist, bis die Polinnen in der Wirtschaft eine ähnlich wichtige Rolle wie polnische Männer haben. Frauen, die Unternehmerinnen sind oder hohe Führungspositionen in Unternehmen bekleiden, sind in Polen immer noch halb so häufig anzutreffen wie Männer.

Frauenstimmen werden auch deutlich weniger gehört. Wie der Bericht „Women in Business 2020” zeigt, kommen Frauen als Expertinnen in den Wirtschaftsmedien weitaus seltener zu Wort, obwohl sie in Führungspositionen relativ stark vertreten sind. Trotz des leichten Anstiegs im Vergleich zum Vorjahr bei der Anzahl der zitierten Aussagen und Meinungen im Jahr 2019 machen Frauen immer noch nur etwa ein Viertel aller Expertenaussagen in der Presse oder auf Konferenzen aus.

Hindernisse

Dies zeigt, dass immer noch viele Hindernisse bestehen, die den Frauen den Aufstieg an die Spitze erschweren. Die Wissenschaftlerinnen des Instituts für Öffentliche Angelegenheiten (Instytut Spraw Publicznych) in Warschau nennen drei Arten von Hindernissen, die man in Polen, aber auch weltweit beobachten kann. Die institutionellen Hindernisse beruhen in erster Linie darauf, dass an alten Rangordnungen festgehalten wird. Das heißt, dass Führungspositionen, die bisher von Männern besetzt wurden, meistens wieder an Männer übertragen werden. Veränderungen in der Personalstruktur werden nicht gerne gesehen; das Führungspersonal bevorzugt bei der Wahl seiner Nachfolger immer noch tendenziell Männer. Vermutlich ist das so, weil Frauen als Verhandlungspartnerinnen von Männern noch nicht ernst genommen werden und vermeintlich die schlechteren Spezialisten sind. Die mentalen Hindernisse müssen meistens die Frauen selbst überwinden. Sie vertrauen ihren eigenen Fähigkeiten nicht, schätzen ihre Kompetenzen falsch ein, die nicht selten höher sind als die von Männern, und haben oft zu niedrige Gehaltsvorstellungen. Zudem sind sie häufig nicht dazu bereit, Risiken in Kauf zu nehmen, um eine höhere Position zu übernehmen oder fühlen sich nicht kompetent genug, um ein anspruchsvolleres Projekt zu managen. Organisatorische Barrieren ergeben sich hauptsächlich daraus, dass mittlere Unternehmen oft immer noch keinen Bedarf für die Einführung von Maßnahmen zur Chancengleichheit von Frauen und Männern sehen.

Die oben genannten Zahlen, die Polen ganz oben in der EU platzieren, sollten einerseits erfreuen und als sehr positives Zeichen gesehen werden. Andererseits sind sie auch nicht so hoch, dass man nicht weiter überlegen soll, wie Frauen auch künftig zu fördern sind. Im politischen Leben hat die Einführung der Quotenregelung polnischen Frauen sowohl auf der nationalen als auch auf der lokalen Ebene dazu verholfen, in die Parlamente zu kommen. Es laufen aber heutzutage in der Politik keine Diskussionen darüber, ob man ähnliche Quoten in der Wirtschaft einführen soll. Die Lage von Frauen, ob in der Wirtschaft, Politik oder anderen Bereichen, wird auch die Covid-Pandemie nicht verbessern, da die zusätzliche Belastung durch die Kinderbetreuung ihr berufliches Leben und somit auch die Karrieremöglichkeiten oft negativ beeinflusst.

 Lese auch: Frauen in der polnischen Politik

Weiterführende Links:

Bericht Women in Business 2020

Deloitte-Bericht Women in the Boardroom: A Global Perspective

Bericht von Mastercard The Mastercard Index of Women Entrepreneurs Report 2020

https://medium.com/blog-transparent-data/kobiety-i-biznes-w-polsce-dane-i-wykresy-2020-8b6c2c92c826

https://mastercardcontentexchange.com/media/1ulpy5at/ma_miwe-report-2020.pdf

https://www.mastercard.com/news/europe/pl-pl/centrum-prasowe/aktualnosci/pl-pl/2020/marzec/raport-mastercard-polki-coraz-bardziej-przedsiebiorcze/

https://www.fidar.de/wob-indizes-studien/wob-index-185/aufsichtsrat.html

Konferencja „Zrównoważony udział kobiet i mężczyzn na stanowiskach kierowniczych w biznesie”

https://www.tagesschau.de/inland/frauenquote-vorstaende-kabinett-beschluss-101.html

Małgorzata Druciarek, Izabela Przybysz, Działania na rzecz równości szans kobiet i mężczyzn w średnich firmach,  Institut für Öffentliche Angelegenheiten, Warschau 2018