23.06.2022 - Geschichte, Kultur, Gesellschaft

Noc Świętojańska, Sobótki … - die Vielfalt der Mittsommerfest-Traditionen um die Sommersonnenwende in Deutschland und Polen

Titelbild. Simon Kozhin 2009

Abb. 1: Simon Kozhin, by wikimedia

Als Mittsommerfest werden die Feierlichkeiten zur Sommersonnenwende bezeichnet. In Deutschland kennt man sie als Johannistag bzw. Johannisnacht. An diesem Tag, also am 24. Juni, wird die Geburt des heiligen Johannes des Täufers (auf Polnisch św. Jan Chrzciciel) gefeiert. In der Johannisnacht finden wiederum Feierlichkeiten zur Sommersonnenwende statt. Ursprünglich wollte die katholische Kirche an diesem Tag das heidnische Brauchtum der Sommersonnenwende mit dem Christentum zusammenzuführen.

Die eigentliche Sonnensommerwende fällt auf der Nordhalbkugel immer auf den 21. Juni. Nur in einem Schaltjahr fällt das Datum auf den 20. Juni. Es ist der längste Tag bzw. die kürzeste Nacht des Jahres umgekehrt zur Wintersommerwende am 20. Dezember.

Zu Beginn der Christenheit fiel nach dem julianischen Kalender die Sonnensommerwende auf den 24. Juni. An diesem Datum wurde (und wird) das Hochfest Johannes’ des Täufers gefeiert, mit dem sich Teile des vorchristlichen Sonnenwendbrauchtums verbanden. Dass beide Ereignisse nicht mehr am selben Datum stattfinden, ist dadurch bedingt, dass der julianische Kalender zu einem immer stärkeren Auseinanderdriften von Sonnen- und Kalenderjahr führt; mit der Einführung des gregorianischen Kalenders im 16. Jahrhundert, den wir heute nutzen, wird durch eine genauere Schaltjahresregelung eine weitere Abweichung ausgeglichen.

Die Sommersonnenwendfeier ist ein Fest des Feuers, des Wassers, der Sonne und des Mondes, der Ernte, Fruchtbarkeit, Freude und Liebe und zählt zu den ältesten und meistverbreiteten Bräuchen, die man nicht nur in ganz Europa, sondern auch auf der Südhalbkugel (dort allerdings als Wintersonnenwende) feiert. In Skandinavien und im Baltikum ist sie einer der wichtigsten Feiertage des Jahres. In Lettland gilt sie sogar als gesetzlicher Feiertag.

Die meisten Bräuche sind mit den Elementen Wasser und Feuer verbunden, nehmen Bezug auf erhoffte magische Kräfte von Pflanzen und sollen den Menschen zur Selbstreinigung dienen.

 Zur Namensgebung

Die Sommersonnenwende wird in allen Ländern und Kulturen etwas anders genannt. In Deutschland nennt man sie Johannistag / -nacht oder Mittsommerfest. In östlichen Ländern findet man mehrere Namen. In Litauen heißt das Mittsommerfest „Joninės”. Verwendet werden aber auch noch andere Namen wie Rasos oder Kupolės.  In Estland heißt es Jaanipäev, in Tschechien sagt man Letní slunovrat. In Polen ist das Fest als Noc Świętojańska oder Wigilia św. Jana bekannt – Sankt-Johannis-Nacht. In Ostpolen findet man noch einen anderen Namen – Noc Kupały, Noc Iwana Kupały, auch Noc kupalna, Kupała oder Kupalnocka genannt, was man am besten als Iwan-Kupała-Nacht ins Deutsche überträgt. Der Name des Festes leitet sich von dem russischen Namen für Johannes und dem Wort für Baden/Taufen ab (Iwan Kupala = Johannes der Täufer). In Masuren heißt das Fest Palinocka oder Kupalnocka, im südlichen Polen, in der Region Oberschlesien sowie in der Slowakei „Sobótka“ (Feuer, hier Johannisfeuer), „Sobótki“ oder „Noc Sobótkowa“ und in Krakau „Wianki“ – „Kränzchen“.

Brauchtum

Johannisfeuer, Tanz um das Johannisfeuer

Das Johannis- oder Würzfeuer findet man in verschiedenen Varianten in Deutschland, Polen und fast über ganz Europa verbreitet, es wird zumeist in der Nacht vor dem Johannistag entzündet. Die Symbolik des Feuers steht für die Sonne und damit auch für Christus. Das Johannisfeuer sollte Dämonen abwehren und so vor Krankheiten oder Viehschaden bewahren. Mancherorts werden auch Strohpuppen verbrannt. Der Rauch des brennenden Johannisfeuers hat dabei die Aufgabe, für gutes Wetter während der nächsten Erntezeit zu sorgen.

Bei Anbruch der Nacht fangen Jungs und Mädchen an, um das Johannisfeuer zu tanzen und drüber zu springen. Der Brauch besagt, je mehr Personen gleichzeitig darüber springen, desto größer soll die Wirkung sein. An dem Spiel nehmen meistens alle Dorfbewohner teil, doch die Johannisnacht war in den meisten Fällen besonders für die jüngere Generation, die ihre andere Hälfte noch nicht gefunden hat, wichtig.

 2. Johannisnacht Noc Swietojanska c Henryk Siemiradzki 1892

 

Abb. 2: Henryk Siemiradzki – Johannistag – Noc Świętojańska, 1892, by wikimedia

 

Einer der bedeutendsten polnischen Dichter der Renaissance-Zeit, Jan Kochanowski (1530-1584), hat der Johannisnacht eins seiner berühmtesten Gedichte gewidmet:

„St. Johannislied zum Sonnwendefeuer“

Sonne im Kreis des Krebses steht,

Der Nachtigall Lied ist verweht,

Johannisfeuer leuchten bald

In Czarnolas, im schwarzen Wald.

 

Heimische stellten dort sich ein,

Gäste saßen im Feuerschein,

Sackpfeifer spielten die Lieder;

Die Obstgärten hallten wider.

 

Im Grase lagerte die Schar,

Aufstanden Mädchen, Paar um Paar,

Gleich trugen Kleider sie und Haar,

Ein Beifußband ihr Gürtel war.

 

Allesamt lieblich anzusehn,

Bereit, im Tanze sich zu drehn,

Gesangeskundig; und sodann

Die erste Maid ihr Lied begann:

 

1.Jungfrau

 

Längst, Schwestern, flammten die Funken,

Schon ist die Sonne gesunken;

Laßt uns nun länger nicht schweigen,

Reicht euch die Hände zum Reigen.

 

Nacht, wehr dem Wind und dem Regen,

Stell dich den Wolken entgegen,

Wenn wir im nächtlichen Garten,

Heut bis zum Morgenrot warten.

 

So ists seit alters verkündet,

Daß man die Lohe entzündet,

In des heiligen Johannes Nacht

Die Sonnenwendfeuer entfacht.

 

Hört meinen Rat, laßt euch bitten,

Wahrt, Kinder, der Väter Sitten,

Wo Feste als Feste galten ;

So ward es damals gehalten.

(…)

Laßt uns die Feier begehen

Und um die Feuer uns drehen,

Bis uns das Morgenrot sieht:

Spielt Musik und singt und ein Lied… (…)

 (Die ungekürzte Fassung auf Polnisch finden Sie hier)

Das über 60 Zeilen lange Gedicht beschreibt die volle Schönheit der Johannisnacht mit all dem Glanz des Feuers und dem Tanz der weiß gekleideten und mit Beifuß gegürteten Jungfrauen. Mit der Sommersonnenwende ist in Polen und in anderen slawischen Ländern noch ein anderes sehr schönes Ritual verbunden, und zwar die sogenannten „Blumenkränze“ (Polnisch: Wianki).

 

Slawische „Wianki“

Laut der alten heidnischen Tradition eignet sich die Johannisnacht für jüngere Menschen besonders gut, um die ideale Partnerin oder den idealen Partner fürs Leben zu finden. In früheren Zeiten haben die Eltern oder extra zu diesem Zweck engagierte Heiratsvermittler nach einer passenden Hälfte für den jeweiligen Jungen oder Mädchen gesucht.

3. Na Kupalu by Andrey Shishkin

 

 

 

Abb.3: Andrey Shishkin – Na Kupalu, by wikimedia

In dieser Nacht bot sich denjenigen, die bisher noch niemandem versprochen waren, die Möglichkeit, von dem für sie bestimmten Weg abzuweichen und ihr eigenes Glück zu suchen. Teil des vorchristlichen Brauchs war es, dass die Mädchen sogenannte „Wianki“, Kränzchen, flochten. Dafür verwendeten sie alle möglichen Materialien. Meistens waren es Blumen, Schleifen und magische Kräuter, die ihnen zuvor von älteren weisen Frauen angeraten worden waren. Sobald das Kränzchen fertig war, befestigte man darin eine Kerze oder eine Fackel, um es dann von der Strömung des Wassers forttreiben zu lassen. Dabei war es wichtig, dass die Kerze nicht ausging, denn dann würde es für ein Mädchen die Jungfernschaft bedeuten. Ähnlich wäre es gewesen, wenn der Kranz auf dem Weg im Buschwerk am Flussufer stecken bleiben würde und damit keinen auf ihn wartenden Jungen erreichte. Die Jungen platzierten sich dann in einer gewissen Entfernung entlang des Flusses, um die Kränze abzufangen. Diejenigen, denen es gelang, machten sich anschließend auf den Weg zum Dorf, um nach der Besitzerin des jeweiligen Kränzchens zu suchen. Natürlich war es oft kein Zufall, dass der jeweilige Kranz ausgerechnet diesem einen Jungen in die Hände fiel. Die heimlich verliebten Pärchen hatten sich vor dem Spiel abgesprochen und konnten es kaum erwarten, nach dem glücklich gewonnenen Finale offiziell ihre Liebe vor der Dorfgemeinschaft, ohne Angst vor der Reglementierung der Ältesten, zeigen zu können.

Die zusätzliche Belohnung für das vom Schicksal beglückte Paar war dann ein gemeinsamer Spaziergang im Wald, womit eine sehr schöne altslawische Legende über die „Farnblüte“ (Polnisch: Kwiat Paproci) verbunden ist.

Farnblüte – Kwiat Paproci

Gemäß der volkstümlichen Überlieferung wird bestimmten Pflanzen in der Mittsommernacht zauberkräftige Wirkung zugeschrieben. Vom Farn nahm man an, dass sich seine stark leuchtende Blüte nur zu Mitternacht am längsten Tag des Jahres für einen kurzen Augenblick öffnete.

Die verliebten Paare, die an Johannisnacht, bzw. Wianki, zueinander gefunden hatten, durften dann gemeinsam in den Wald gehen in der Hoffnung die magische Farnblüte zu finden.

4. Farn

Abb. 4: Farn im Wald, by K. Walczyk-Rosar

Die Suche nach der Farnblüte war der beste Vorwand und die Gelegenheit für alle verliebten Paare sich während der magischen Nacht zur Sommersonnenwende zu treffen und frei ihre Liebe zu genießen, ohne die Konsequenzen der Gemeinschaft befürchten zu müssen. Kinder die neun Monate nach dieser Nacht geboren wurden, wurde nachgesagt „sie stammten vom Johannes“. 

Die mit der Sommersonnenwende verbundenen heidnischen Praktiken waren lange stark präsent. Noch im 20. Jahrhundert haben in der Region Oppeln echte heidnische Festlichkeiten stattgefunden.

Bis heute haben viele dieser alten Bräuche und Zeremonien überlebt, sie werden allerdings nur noch als Spiel betrachtet und von manchen als ein Vorläufer des aktuellen Valentinstages gesehen.

20220622 202140 In größeren polnischen Städten, z. B. in Warschau und in Krakau, werden um die Sommersonnenwende heutzutage große Festlichkeiten organisiert, die sogenannten „Wianki“. Es finden Kunst- und Musikfestivals an der Weichsel oder an der Oder statt und man kann zu dieser Zeit eine bunte Vielfalt an Kränzen auf dem Wasser sehen. Manche sind eher klein und gewöhnlich und werden von jungen Frauen aufs Wasser gesetzt, manche sind aber ganz groß und auf den ersten Blick sieht man, dass sie von reichen Firmen gesponsert worden sind.

Die Tradition der Johannisnacht wird heutzutage in verschiedenen, manchmal ganz neuen Formen immer wiederbelebt. Es werden nächtliche Kreuzfahrten mit Feuerwerk organisiert, Konzerte und Veranstaltungen an denen Inszenierungen von alten Bräuchen gezeigt werden.  signal 2022 06 22 08 01 04 485 1Mancherorts werden folkloristische Events von Kulturhäusern, Ethnografischen Museen, oder regionalen Vereinigungen meistens in der Nähe des Wassers organisiert.

 

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Krakau, 22.6.2022, Fotos by K. Walczyk-Rosar

Quellen:

 Jan Kochanowski : Ausgewählte Dichtungen/ Hrsg. Von Willi Hoepp. Aus dem Poln. von H. Bereska u.a. Leipzig: Reclam, 1980. S. 133-135.

Barbara Ogrodowska : Polskie obrzędy i zwyczaje doroczne. Warszawa: Muza SA, 2006. S. 204-210.

 Zum Weiterlesen:

Die Farnblüte. Märchen aus Polen / Hrsg. von Stefania Wortman. Aus d. Poln. übertragen von Henryk Bereska. Berlin: Kinderbuchverlag, 1973

https://pl.wikipedia.org/wiki/Noc_Kupa%C5%82y

https://de.wikipedia.org/wiki/Mittsommerfest

https://de.wikipedia.org/wiki/Iwan-Kupala-Tag

https://de.wikipedia.org/wiki/Notfeuer

https://de.wikipedia.org/wiki/Johannistag

https://www.nachrichten.at/kultur/Hanslverbrennen-wenn-sich-die-Sonne-wendet;art16,910263

https://bonclok.pl/slaskie-tradycje/obrzedy-zwyczaje-i-wierzenia/323-noc-swietojanska-czyli-polskie-walentynki.html

https://biblioteka.teatrnn.pl/dlibra/publication/49396/edition/46414/content

https://teatrnn.pl/leksykon/artykuly/obrzedy-okres-letni/#sobotka-dzien-sw-jana-noc-swietojanska-kupalnocka-23-24-czerwca

https://teatrnn.pl/leksykon/artykuly/etnografia-lubelszczyzny-cykl-roczny-w-zyciu-wsi-czerwiec/