Schatten der großen Debatten: Slowakei, Tschechien und Litauen als Thema im Wahljahr 2025
DPI Blog#130

Während die bilateralen Beziehungen Polens zu Deutschland, Russland und der Ukraine die sicherheits- und wirtschaftspolitischen Debatten in Warschau dominieren und auch im Präsidentschaftswahlkampf 2025 permanent thematisiert werden, geraten andere Nachbarländer oft in den Hintergrund. Die Slowakei, Tschechien und Litauen spielen in der öffentlichen Debatte und im Wahlkampfgeschehen kaum eine Rolle – obwohl sie außenpolitisch keineswegs bedeutungslos sind. Diese Länder sind für Polen wichtige Partner innerhalb der EU, der NATO oder der Visegrád-Gruppe. Trotzdem bleiben sie im Schatten der großen geopolitischen Diskurse. Zeit also, sich die wenigen Aussagen der Präsidentschaftskandidaten der im Sejm vertretenen Parteien zu Polens drei Nachbarländern einmal etwas näher anzusehen.
Litauen
Polen und Litauen pflegen heute enge und dynamische Beziehungen, die auf einer gemeinsamen Geschichte sowie der Zusammenarbeit in NATO und EU beruhen. In den letzten Jahren wurde der politische Dialog – insbesondere in den Bereichen Sicherheit, Energie und Infrastruktur – deutlich intensiviert. Es findet ein reger kultureller Austausch statt, die Bildungs- und Wissenschaftskooperation entwickelt sich weiter, und die Polen bleiben die größte nationale Minderheit in Litauen.[1]
Szymon Hołownia (Dritter Weg – Polen 2050, pol.Trzecia Droga – Polska 2050) war einer der wenigen polnischen Spitzenpolitiker, die Litauen in jüngerer Zeit besuchten – jedoch in seiner Rolle als Sejmmarschall und nicht als Präsidentschaftskandidat. Bei einem zweitägigen Besuch in Vilnius im Jahr 2024 sprach er mit der litauischen Sejm-Vorsitzenden Viktorija Čmilytė-Nielsen sowie mit Präsident Gitanas Nausėda und Premierministerin Ingrida Šimonytė über die bilaterale Zusammenarbeit auf parlamentarischer Ebene, über Sicherheitsfragen im Zusammenhang mit dem russischen Überfall auf die Ukraine und die Anliegen der polnischen Minderheit in Litauen, insbesondere bezüglich des muttersprachlichen Unterrichts und der Schreibweise polnischer Namen.[2] Im Jahr 2025 betonte Hołownia bei einer öffentlichen Pressekonferenz in Vilnius als Sejmmarschall, am Vorabend der feierlichen Gedenkveranstaltung zum 35. Jahrestag der Wiedererlangung der Unabhängigkeit Litauens, dass Russland die Hauptbedrohung bleibe und die Einheit Polens mit den baltischen Staaten gestärkt werden müsse.[3]
Rafał Trzaskowski (Bürgerkoalition, pol. Koalicja Obywatelska) besuchte als Warschauer Stadtpräsident Vilnius im Jahr 2023. In einer symbolträchtigen Rede nannte er die Stadt ein „Zukunftsorientiertes Zentrum“ und hob Litauens Bedeutung innerhalb der EU und der NATO hervor.[4]
Karol Nawrocki (unterstützt von der Recht und Gerechtigkeit, pol. PiS – Prawo i Sprawiedliwość) erklärte in einem Radiointerview während des Wahlkampfs, dass die Unabhängigkeit der baltischen Staaten, darunter Litauen, im polnischen Interesse liege. Auf die Frage nach einem möglichen russischen Angriff erklärte er, Polen solle seine Verbündeten nur dann verteidigen, wenn diese auch selbst in der Lage sind, sich zu verteidigen.[5] In einer Präsidentschaftsdebatte konnte er jedoch auf Nachfrage von Szymon Hołownia nicht einmal die Namen der Präsidenten von Litauen, Lettland, Estland und Ungarn nennen – ein kleiner Patzer in der Wahlkampagne.[6]
Mitten im Wahlkampf traf sich die Präsidentschaftskandidatin Magdalena Biejat (Neue Linke, polnisch Nowa Lewica) mit der mit der litauischen Verteidigungsministerin Dovilė Šakalienė – jedoch in ihrer Rolle als Vizemarschallin des Senats, also der zweiten Kammer des polnischen Parlaments. Bei dem Gespräch ging es um die sicherheitspolitische Lage der Region, die Bedeutung der Zusammenarbeit zwischen Polen, Litauen und anderen Staaten Mittel- und Nordeuropas sowie um die Situation der polnischen Minderheit in Litauen.
Biejat betonte, dass Solidarität und Kooperation ebenso zentrale Pfeiler der Sicherheit seien wie militärische Investitionen.[7]
Sławomir Mentzen (Konföderation Freiheit und Unabhängigkeit, pol. Konfederacja Wolność i Niepodległość) hingegen äußerte sich weder als Abgeordneter noch als Präsidentschaftskandidat in irgendeiner Weise zu Litauen.
Tschechien
Polen und die Tschechische Republik pflegen enge Beziehungen, die auf ihrer gemeinsamen Mitgliedschaft in der EU, NATO und der Visegrád-Gruppe basieren. Eine wichtige Initiative ist die Polnisch-Tschechische Regierungskommission für grenzüberschreitende Zusammenarbeit, die seit 1994 aktiv ist. Die Zusammenarbeit in Kultur, Wissenschaft und Wirtschaft wächst, insbesondere im Handel und bei Kulturveranstaltungen wie dem Filmfestival und dem Internationalen Theaterfestival.[8]
2024 besuchte Sejmmarschall Szymon Hołownia Tschechien und sprach auf der Globsec-Konferenz in Prag mit tschechischen Spitzenpolitikern. Er kündigte an, die Zusammenarbeit zwischen den Parlamenten zu vertiefen, insbesondere in den Bereichen EU-Angelegenheiten und Verteidigung. Hołownia sprach auch mit dem Staatspräsidenten Petr Pavel, der Vorsitzenden des Abgeordnetenhauses Markéta Pekarová Adamová und dem Senatsvorsitzenden Miloš Vystrčil über ein neues Sicherheitsgesetz in Polen. Das Gesetz soll Polen auf die Zwischenphase zwischen Frieden und Krieg vorbereiten und die Fähigkeit zur schnellen Reaktion auf hybride Bedrohungen stärken.[9]
Im Gegensatz zu ihren Konkurrenten suchte Magdalena Biejat im Wahlkampf aktiv den Kontakt zur polnischen Diaspora, was auch in ihrem Verantwortungsbereich als Vize-Senatsmarschällin liegt. In Český Těšín (Czeski Cieszyn) drehte sie vor dem dortigen polnischen Gymnasium ein Wahlvideo und rief zur Teilnahme an der Wahl auf. Auf der Brücke der Freundschaft sprach sie über internationale Sicherheit und Polens Rolle in Europa: „Unsere Sicherheit und unser nationales Interesse liegen hier – in Europa – und nicht in einer Annäherung an Trump“, so Biejat. Ihre Aussagen unterstreichen eine proeuropäische Orientierung und das Bemühen um grenzüberschreitenden Dialog.[10]
Karol Nawrocki, Rafał Trzaskowski und Sławomir Mentzen hingegen äußerten sich nicht zur Zusammenarbeit mit der Tschechischen Republik.
Slowakei
Polen und die Slowakei pflegen enge Beziehungen, die auf ihrer gemeinsamen Nachbarschaft, der Zugehörigkeit zur EU und der NATO sowie der Zusammenarbeit im Rahmen der Visegrád-Gruppe basieren. In den letzten Jahren wurde besonderes Augenmerk auf die energetische Zusammenarbeit gelegt, einschließlich der Inbetriebnahme des polnisch-slowakischen Gaskonnektors. Auch die kulturelle, Bildungs- und Wissenschaftskooperation wird intensiviert, und beide Länder ergreifen Maßnahmen zur gemeinsamen Entwicklung der Region.[11]
Szymon Hołownia besuchte ebenfalls die Slowakei im Februar 2025 als Präsidentschaftskandidat – mitten im Wahlkampf. Dabei traf sich Hołownia unter anderem mit der ehemaligen Präsidentin Zuzana Čaputová sowie mit Vertretern der slowakischen Zivilgesellschaft. Im Fokus stand die zunehmende politische Radikalisierung im Land. Hołownia warnte davor, dass rechtsextreme Ideologien in „rosaroten und weißen Gewändern“ daherkommen und fälschlich als normale Politik wahrgenommen würden. Gemeinsam mit NGOs und Experten diskutierte er die Herausforderungen, die sich daraus für Polen und die Region ergeben.[12]
Die restlichen Kandidaten äußerten sich nicht maßgeblich zur Slowakei, auch offizielle Besuche sind von ihnen nicht bekannt.
Fazit
Die Analyse zeigt: Während einige Kandidaten punktuell außenpolitische Akzente setzten, spielten die Nachbarländer Slowakei, Tschechien und Litauen im Präsidentschaftswahlkampf 2025 keine nennenswerte Rolle. Die sicherheitspolitische Relevanz dieser Staaten wird zwar teilweise anerkannt, doch konkrete strategische Aussagen fehlen fast völlig. Der Fokus liegt klar auf den großen Playern – Deutschland, Russland, Ukraine – während kleinere Nachbarn allenfalls symbolisch berücksichtigt werden. Es ist jedoch hervorzuheben, dass Szymon Hołownia in den letzten Jahren in allen drei Ländern präsent war – ein klarer Hinweis darauf, dass für ihn regionale Zusammenarbeit auch gelebte Praxis ist.
[1] Ministerstwo Spraw Zagranicznych Rzeczypospolitej Polskiej, „Litwa.” Polska na Litwie, https://www.gov.pl/web/litwa/litwa, zugegriffen am 14.05.2025.
[2] Marszałek Sejmu RP Szymon Hołownia z dwudniową wizytą na Litwie https://www.gov.pl/web/litwa/marszalek-sejmu-rp-szymon-holownia-z-dwudniowa-wizyta-na-litwie veröffentlicht am 06.02.2024
[3] Hołownia w Wilnie: jest tylko jeden wróg i to jest Putin, https://radiokielce.pl/1277874/holownia-w-wilnie-jest-tylko-jeden-wrog-i-to-jest-putin/, veröffentlich am 10.03.2025
[4] Rafał Trzaskowski: Wilno jest historycznym miastem, które patrzy w przyszłość, https://www.lrt.lt/pl/wiadomosci/1261/1874903/rafal-trzaskowski-wilno-jest-historycznym-miastem-ktore-patrzy-w-przyszlosc, veröffentlicht am 26.01.2023
[5] Czy Nawrocki pomógłby państwom bałtyckim? Przywołał "zasadę, którą wyznaje", https://tvn24.pl/polska/karol-nawrocki-pytany-o-pomoc-panstwom-baltyckim-na-wypadek-agresji-rosji-wyznaje-zasade-ze-sojusznicy-bronia-tylko-tych-ktorzy-potrafia-sami-sie-bronic-st8368253, veröffentlicht am 18.03.2025
[6] "Ja się nie denerwuję!". Nawrocki dostał proste pytanie od Hołowni i... skończyło się tak, https://natemat.pl/599837,nawrocki-dostal-takie-pytanie-od-holowni-na-debacie-nie-odpowiedzial, veröffentlicht am 11.04.2025
[7] Wicemarszałkini Magdalena Biejat spotkała się z ministrą obrony narodowej Republiki Litewskiej Dovilė Šakalienė, https://www.senat.gov.pl/aktualnoscilista/art,16744,wicemarszalkini-magdalena-biejat-spotkala-sie-z-ministra-obrony-narodowej-republiki-litewskiej-dovil-akalien.html, veröffentlicht am 13.03.2025
[8] Ministerstwo Spraw Zagranicznych Rzeczypospolitej Polskiej, „Czechy.” Polska w Czechach, https://www.gov.pl/web/czechy/relacje-dwustronne
[9] Hołownia na konferencji w Pradze. Zacieśnianie współpracy polsko-czeskiej, https://www.bankier.pl/wiadomosc/Holownia-na-konferencji-w-Pradze-Zaciesnianie-wspolpracy-polsko-czeskiej-8804722.html, veröffentlicht am 30.08.2024
[10] Kandydatka na prezydenta odwiedziła Cz. Cieszyn. Magdalena Biejat zaapelowała do Polaków w Czechach o udział w wyborach, https://glos.live/Wiadomosci/d/kandydatka_na_prezydenta_odwiedzila_cz_cieszyn_magdalena_biejat_zaapelowala_do_polakow_w_czechac_o_udzial_w_wyborach/, veröffentlicht am 22.02.2025
[11] Ministerstwo Spraw Zagranicznych Rzeczypospolitej Polskiej, "Słowacja," Polska na Słowacji, https://www.gov.pl/web/slowacja/slowacja., zugegriffen am 14.05.2025
[12] Hołownia na Słowacji i Węgrzech: Jak powstrzymać radykalizm w Polsce?, https://holownia2025.pl/holownia-na-slowacji-i-wegrzech-jak-powstrzymac-radykalizm-w-polsce/, veröffentlicht am 26.02.2025