Die Ukraine als Wahlkampfthema: Trzaskowski und Nawrocki im Vergleich
DPI Blog#134

Am kommenden Sonntag steht in Polen die entscheidende Stichwahl an: Rafał Trzaskowski, der liberale Bürgermeister von Warschau (Bürgerplattform, Koalicja Obwatelska, KO), tritt gegen Karol Nawrocki an, den Chef des Instituts für Nationales Gedenken (IPN), der von der Partei Recht und Gerechtigkeit (Prawo i Sprawiedliwość, PiS) unterstützt wird.
Beide Kandidaten kämpfen nun nicht nur um die Stimmen ihrer Stammwählerschaft, sondern auch um jene der Anhänger des drittplatzierten Sławomir Mentzen und seiner Konfederacja mit ihren acht Kernforderungen – darunter die Ablehnung der NATO-Beitrittsperspektive der Ukraine sowie die Ablehnung eines möglichen Einsatzes polnischer Soldaten. Wie sehr prägt der Krieg in der Ukraine also den polnischen Wahlkampf? Und welche konkreten Positionen vertreten die beiden Kandidaten?
In diesem Beitrag geht es darum, wie sich Trzaskowski und Nawrocki in der Debatte um die Ukraine positionieren – vom NATO-Beitritt des Landes und eine mögliche EU-Integration über Sozialleistungen für ukrainische Geflüchtete bis hin zur militärischen Unterstützung, dem Getreideembargo und der möglichen Entsendung polnischer Soldaten.
Ukraine in der NATO: Ja oder nein?
Rafał Trzaskowski befürwortet klar den NATO-Beitritt der Ukraine. In einem Gespräch mit Sławomir Mentzen sagte er: „Nur wenn die Ukraine NATO-Mitglied wird, sind wir sicher“.[1] Für ihn gilt: Je stärker die Ukraine politisch und militärisch eingebunden ist, desto besser ist Polens Sicherheit gegenüber Russland gewährleistet. Trzaskowski warnt davor, dass Putin „nur die Sprache der Stärke“ verstehe (und meint damit auch: Die NATO zeigt dann Stärke, wenn sie sich einstimmig für eine Erweiterung um die Ukraine ausspricht) und sieht die Ukraine als wichtige Pufferzone, um die russische Aggression fernzuhalten.[2]
Karol Nawrocki hingegen nimmt eine deutlich zurückhaltendere Position ein: „Ich sehe die Ukraine derzeit weder in der EU noch in der NATO, solange grundlegende zivilisatorische Fragen für Polen nicht geklärt sind.“ Dabei bezieht er sich vor allem auf die historische Aufarbeitung des Massakers von Wolhynien. Im Jahr 1943 verübten ukrainische Nationalisten Angriffe auf die polnische Bevölkerung in der Region Wolhynien, bei denen Schätzungen zufolge zwischen 50.000 und 120.000 Menschen ums Leben kamen.[3] Nawrocki betont, Polen dürfe nicht die Rolle eines „Hilfsbetriebs“ für die Ukraine übernehmen, sondern müsse seine eigenen nationalen Interessen schützen.[4] Auch Trzaskowski äußert sich zur Frage des Massakers von Wolhynien: Die Ukraine müsse polnische Anliegen wie die Exhumierungsfrage berücksichtigen – er macht dies jedoch nicht zu einer direkten Bedingung für Polens Unterstützung einer NATO- und EU-Mitgliedschaft der Ukraine.[5]
Sozialleistungen für Ukrainer in Polen: Wie geht es weiter?
Polen gewährt ukrainischen Geflüchteten derzeit verschiedene Sozialleistungen, darunter das populäre Kindergeld (800+). Trzaskowski schlägt vor, dass Hilfe vor allem denen zusteht, die in Polen arbeiten und Steuern zahlen. Er nennt dies eine „vernünftige Lösung“ und betont, dass es keine dauerhaften Unterstützungen für jene geben dürfe, die weder in Polen arbeiten noch dort wohnen.[6]
Nawrocki geht noch einen Schritt weiter: In seinen Wahlspots betont er, dass „Sozialleistungen in erster Linie für Polen“ gedacht seien. Ukrainische Bürger sollten erst dann Zugang zu Leistungen erhalten, wenn polnische Staatsbürger vorrangig behandelt werden – etwa bei Arztterminen oder in Schulen. Er fordert die Abschaffung von Zuschüssen zu ukrainischen und anderen ausländischen Renten und will die Sozialleistungen primär für Polen reservieren.[7]
Polnische Soldaten in der Ukraine? Beide sagen: nein.
In diesem Punkt sind sich beide Kandidaten einig. Trzaskowski erklärte: „Wir werden keine Soldaten in die Ukraine schicken, solange sie nicht NATO-Mitglied ist.“ Für ihn handelt es sich dabei um eine rechtliche Frage, die sich aus den NATO-Verträgen ergibt. Sollte die Ukraine in zehn oder fünfzehn Jahren NATO-Mitglied werden, gelte Artikel 5, der die gegenseitige Verteidigung der Alliierten garantiert. [8]
Nawrocki formulierte in seinem Gespräch mit Mentzen auch seine klare Ablehnung: „Natürlich werde ich nicht zulassen, dass polnische Soldaten in die Ukraine geschickt werden.“ Gleichzeitig betonte er jedoch, dass er gerne polnische Unternehmer in die Ukraine schicken würde, damit diese investieren und so die wirtschaftliche Unterstützung ausbauen können.[9] Auf die Nachfrage, ob er Truppen entsenden würde, falls US-Präsident Donald Trump ihn darum bitte, stellte Nawrocki klar, dass die Ukraine kein NATO-Mitglied sei und Polen daher keine solche Verpflichtung habe. Er betonte: „Ich erkenne die Souveränität des polnischen Staates an – deshalb sehe ich dafür keine Möglichkeit“.[10]
Militärische Unterstützung: Mehr Waffen für Kiew?
Beide Kandidaten sind sich einig, dass die Ukraine weiterhin militärisch unterstützt werden sollte. Rafał Trzaskowski betont die sicherheitspolitische Notwendigkeit militärischer Unterstützung für die Ukraine: „Wenn die Ukraine keine Sicherheitsgarantien hat, sind wir die Nächsten.“ Sein Schwerpunkt liegt darauf, dass Polen gemeinsam mit der EU und der NATO Waffen liefert, um Russland zu stoppen.[11] Zum zeitweisen Stopp der US-Militärhilfe äußerte Trzaskowski Bedauern, sieht darin aber auch ein Signal, aus dem Europa Lehren ziehen müsse: „Wir sollten die Ukraine stärker unterstützen“.[12] Gleichzeitig betonte er: „Die Ukraine muss unterstützt werden, aber mit den Ukrainern muss man auch hart verhandeln“.[13]
Karol Nawrocki kommentierte die Aussetzung der US-Militärhilfe als Folge „des Mangels an Dankbarkeit von Präsident Wolodymyr Selenskyj und fehlender Fähigkeit zur internationalen Politikführung“. Er bezeichnete diese Entscheidung als negative Nachricht – nicht nur für die Ukraine, sondern auch für die gesamte Region, einschließlich Polen – und sieht das Hauptproblem klar bei Selenskyj.[14] Dennoch betont Nawrocki, dass es im polnischen Interesse liege, Russland zu schwächen und die Ukraine zu stärken, weshalb die Unterstützung fortgesetzt werden müsse.[15] Diese Hilfe müsse jedoch klar an die Wahrung polnischer Interessen geknüpft sein. Er warnt ausdrücklich: Polen dürfe sich nicht länger respektlos behandeln lassen. „Das ist unanständig und muss klar benannt werden“, so Nawrocki.[16]
Getreide- und Agrarstreit: Schutz für polnische Bauern
Der Import ukrainischer Agrarprodukte wie Getreide und Geflügel ist in Polen heiß umstritten. Viele Landwirte fürchten, dass billige Waren vom östlichen Nachbarn ihre Preise drücken und die heimische Landwirtschaft gefährden. Karol Nawrocki macht deutlich, wo er steht: Bei einer Kundgebung in Przemyśl erklärte er, er werde nicht zulassen, dass polnische Bauern und Transportunternehmen unter „unlauterer Konkurrenz aus der Ukraine“ leiden. Er warnt, die geplante Handelsliberalisierung im EU-Ukraine-Abkommen könne „die polnische Landwirtschaft zerstören“. Deshalb fordert er Schutzmaßnahmen wie Zölle oder Importquoten. „Wie könnte ich als Präsident die Sorgen der polnischen Landwirte ignorieren, die gegen unfaire Konkurrenz kämpfen?“, fragt Nawrocki.[17]
Rafał Trzaskowski setzt auf europäische Lösungen und Dialog. Er erinnert daran, dass die zollfreie Einfuhr ukrainischer Agrarprodukte nur bis Juni 2025 gilt und danach wieder strengere Regeln angewendet werden. „Wir wollen polnische, gesunde Lebensmittel. Deshalb dürfen nur Waren auf den Markt kommen, die unseren Standards entsprechen“, sagt er.[18] Gleichzeitig betont er, dass eine EU-Mitgliedschaft der Ukraine ohne Reformen in der Agrarpolitik nicht möglich sei – „darüber müssen wir offen mit der EU und der Ukraine sprechen.“[19]
Fazit: Ukraine als Prüfstein für Polens Präsidentschaft
Beide sind sich einig, dass die Ukraine weiter unterstützt werden muss – militärisch, wirtschaftlich, politisch. Doch die Motive unterscheiden sich: Trzaskowski betont europäische Solidarität, westliche Zusammenarbeit und die langfristige Sicherheit durch eine starke, NATO-integrierte Ukraine. Nawrocki dagegen rückt nationale Interessen in den Vordergrund und fordert, dass polnische Unterstützung nicht „bedingungslos“ bleiben dürfe.
Beim Thema Agrarpolitik pocht Nawrocki auf Schutzmaßnahmen für polnische Bauern und spricht sich klar gegen die geplante Handelsliberalisierung aus, während Trzaskowski hier mehr auf europäische Standards und Dialog setzt. Auch bei den Sozialleistungen für ukrainische Geflüchtete ist Nawrocki restriktiver: Für ihn stehen polnische Bürger klar an erster Stelle, Trzaskowski will die Hilfen stärker an Arbeit und Steuerzahlung knüpfen.
In einem Punkt herrscht Einigkeit: Keiner der beiden Kandidaten befürwortet den Einsatz polnischer Soldaten in der Ukraine – zumindest solange das Land kein NATO-Mitglied ist.
Letztlich zeigt sich: Die Ukraine-Frage ist in diesem Wahlkampf nicht nur ein außenpolitisches Thema, sondern auch ein Spiegel der grundsätzlichen politischen Richtungen. Trzaskowski steht für ein europäisch orientiertes, solidarisches Polen – Nawrocki für ein Polen, das seine eigenen Interessen kompromisslos verteidigen will. Wer das Rennen macht, wird entscheidend beeinflussen, welchen Kurs Polen künftig gegenüber Kiew und Moskau einschlägt.
[1] Rafał Trzaskowski nie podpisał "ósemki Mentzena". Wyjaśnił dlaczego https://wiadomosci.onet.pl/wybory/wybory-prezydenckie/rafal-trzaskowski-nie-podpisal-osemki-mentzena-wyjasnil-dlaczego/q68jpvl, veröffentlicht am 24.05.2025
[2] Mentzen pyta o Ukrainę w NATO. Trzaskowski: ja się z panem fundamentalnie nie zgadzam https://tvn24.pl/polska/slawomir-mentzen-pyta-o-ukraine-w-nato-rafal-trzaskowski-ja-sie-z-panem-fundamentalnie-nie-zgadzam-st8477888, veröffentlicht am 24.05.2025
[3] Karol Nawrocki nie widzi Ukrainy w NATO i UE. Media w Kijowie komentują https://wiadomosci.onet.pl/swiat/karol-nawrocki-nie-widzi-ukrainy-w-nato-i-ue-media-w-kijowie-komentuja/wgtvp05#, veröffentlicht am 09.01.2025
[4] Nawrocki o Ukrainie i "antyamerykańskiej rebelii w Unii Europejskiej", https://tvn24.pl/polska/wybory-prezydenckie-2025-program-karola-nawrockiego-co-sadzi-o-wsparciu-dla-ukrainy-st8330336, veröffentlicht am 02.03.2025
[5] Rafał Trzaskowski o ekshumacjach na Wołyniu. "Ukraińcy muszą zrozumieć" https://wiadomosci.onet.pl/kraj/rafal-trzaskowski-o-ekshumacjach-na-wolyniu-ukraincy-musza-zrozumiec/7cx5xtf, veröffentlicht am 11.01.2025
[6] Rafał Trzaskowski o 800plus dla Ukraińców: Nie możemy popełnić błędu Niemców, https://www.rp.pl/polityka/art41724591-rafal-trzaskowski-o-800plus-dla-ukraincow-nie-mozemy-popelnic-bledu-niemcow, veröffentlicht am 24.05.2025
[7] Propozycja Nawrockiego. "Dawno nie słyszałam tak obrzydliwego pomysłu", https://tvn24.pl/polska/propozycja-nawrockiego-w-sprawie-ukraincow-komentarze-st8408989, veröffentlicht am 13.04.2025
[8] Rafał Trzaskowski nie podpisał "ósemki Mentzena". Wyjaśnił dlaczego (sehe oben Anm. 1)
[9] Ósemka Mentzena. Nawrocki kontra Trzaskowski. Co ich łączy, a co dzieli, https://businessinsider.com.pl/prawo/trzaskowski-i-nawrocki-u-mentzena-oto-wazne-deklaracje-i-kluczowe-roznice/k18eb5x, veröffentlicht am 25.05.2025
[10] Czy Nawrocki nie wyśle polskich żołnierzy na Ukrainę, nawet jeśli Trump poprosi? https://dorzeczy.pl/opinie/730200/nawrocki-nie-wysle-wojsk-mentzen-a-jak-trump-poprosi.html, veröffentlicht am 22.05.2025
[11] Rafał Trzaskowski nie podpisał "ósemki Mentzena". Wyjaśnił dlaczego (sehe oben Anm. 1)
[12] Trzaskowski: jako Europa powinniśmy więcej pomagać Ukrainie, https://tvn24.pl/plus/programy/opinie-i-wydarzenia/usa-wstrzymuje-pomoc-dla-ukrainy-komentuje-rafal-trzaskowski-vc8359849, veröffentlicht am 04.03.2025
[13] Debata: Trzaskowski: wspierać Ukrainę, ale rozmawiać twardo; Nawrocki: Zełenski źle traktuje Polskę, https://www.portalsamorzadowy.pl/polityka-i-spoleczenstwo/debata-trzaskowski-wspierac-ukraine-ale-rozmawiac-twardo-nawrocki-zelenski-zle-traktuje-polske,613392.html?mp=promo, veröffentlicht am 23.05.2025
[14] USA wstrzymują pomoc dla Ukrainy. Karol Nawrocki o "braku wdzięczności", https://www.polsatnews.pl/wiadomosc/2025-03-04/usa-wstrzymuja-pomoc-dla-ukrainy-karol-nawrocki-zabral-glos/, veröffentlicht am 04.03.2025
[15] Nawrocki: Polscy rolnicy nie mogą cierpieć na skutek nieuczciwej konkurencji z Ukrainy, https://www.bankier.pl/wiadomosc/Nawrocki-Polscy-rolnicy-nie-moga-cierpiec-na-skutek-nieuczciwej-konkurencji-z-Ukrainy-8916449.html, veröffentlicht am 30.03.2025
[16] Nawrocki o Ukrainie i "antyamerykańskiej rebelii w Unii Europejskiej" , https://tvn24.pl/polska/wybory-prezydenckie-2025-program-karola-nawrockiego-co-sadzi-o-wsparciu-dla-ukrainy-st8330336, veröffentlicht am 02.03.2025
[17] Nawrocki: Polscy rolnicy nie mogą cierpieć na skutek nieuczciwej konkurencji z Ukrainy, https://www.bankier.pl/wiadomosc/Nawrocki-Polscy-rolnicy-nie-moga-cierpiec-na-skutek-nieuczciwej-konkurencji-z-Ukrainy-8916449.html, veröffentlicht am 30.03.2025
[18] Rolnictwo, bezpieczeństwo i nie tylko. Trzaskowski walczy o poparcie, https://www.bankier.pl/wiadomosc/Rolnictwo-bezpieczenstwo-i-nie-tylko-Trzaskowski-walczy-o-poparcie-8947226.html, veröffentlicht am 22.05.2025
[19] Trzaskowski uderza w Ukrainę. "Nie wejdzie do UE, dopóki...", https://dorzeczy.pl/opinie/675898/akcesja-ukrainy-do-ue-trzaskowski-stawia-warunki.html, veröffentlicht am 08.01.2025