jaworskider genormte

Band Nr. 28

Der genormte Blick aufs Fremde

Reiseführer in und über Ostmitteleuropa im 19. und 20. Jahrhundert

Inhalt

Reiseführer eröffnen den Kulturwissenschaften ein vielfältiges Spektrum möglicher Beobachtungsfelder: Kulturtransfer, Eigen- und Fremdwahrnehmung, populäre Geschichtsbilder lassen sich an Hand dieses Mediums ebenso untersuchen wie die Differenzierung der angesprochenen Zielgruppen, der Wandel von Reisegewohnheiten oder die wechselnde Attraktivität von Reisezielen.
Von wenigen Einzelstudien abgesehen hat diese variantenreiche und kulturgeschichtlich überaus ergiebige Textsorte in der historischen Forschung bislang kaum die ihr gebührende Beachtung gefunden. Nahezu gänzlich fehlen einschlägige Untersuchungen zum ostmitteleuropäischen Raum, obwohl gerade dieser Teil unseres Kontinents hierfür zu vielfältigen Beobachtungen Anlass geben kann: Kulturelle Pluralität, Überschneidung und Diffusion bei wechselnder Dominanz verschiedener Ethnien sowie häufig veränderte Grenzen hatten hier komplexe beziehungsgeschichtliche Fundamente gelegt, die sich einfachen Deutungsmustern von vornherein entzogen haben und zu einer „Normierung“ touristischer Beschreibungen verleiteten und verleiten.
Dieser Band präsentiert als Ergebnis einer wissenschaftlichen Tagung eine breite Palette von Themen und Beobachtungsfeldern zu Reiseführern in und über Ostmitteleuropa, und zwar sowohl in geographischer wie in chronologischer Hinsicht: von Riga bis nach Prag, von frühen Reiseführern aus dem 19. Jahrhundert bis hin zum Reiseführer der Zukunft, der ohne Papier auskommen wird.

Rudolf Jaworski war bis 2009 Professor für Osteuropäische Geschichte an der Universität Kiel
Peter Oliver Loew ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Deutschen Polen-Institut Darmstadt
Christian Pletzing ist Leiter der Academia Baltica in Lübeck

Inhaltsverzeichnis

Rudolf Jaworski, Peter Oliver Loew und Christian Pletzing: Zur Einführung
Peter Oliver Loew: Molwanîen ist überall. Die imaginären Welten Ostmitteleuropas, das reisende Individuum und der unaufhörliche Schwall der Erzählungen (13)

Grundlagen

Bernhard Struck: Der genormte Blick auf die Fremde. Reisen, Vorwissen und Erwartung. Die Beispiele Italien und Polen im späten 18. Jahrhundert (21)
Susanne Müller: Zur Medienkulturgeschichte des Reisehandbuchs (36)
Nicolai Scherle: Nichts Fremdes ist mir fremd – Reiseführer im Kontext von Raum und der systemimmanenten Dialektik des Verständnisses von Eigenem und Fremdem (53)

Reiseführer und Geschichte

Maciej Janowski: Civis ambulans, oder: Mit dem Baedeker durch Österreich-Ungarn (73)
Martina Thomsen: »Städte deutscher Schöpferkraft«. Nationale Stereotype in Griebens Reiseführern über Prag, Budapest und Wien 1938–1945 (93)
Hubert Orłowski: Ein halbes Jahrhundert taxonomischer Perspektivierung? – Stadtführer Posen in deutscher Sprache (112)
Marta Kowerko: ›Wilno po polsku‹ oder ›Vilnius – musu sostine‹ (Wilna, unsere Hauptstadt). Nationale Mythen in Stadtführern aus den 1920er Jahren und heute (119)
Iris Engemann: Danzig vs. Gdańsk. Die Geschichte wird besichtigt (1919-2005) (137)

Reiseführer in der Gegenwart

Andreas Fülberth: Die Behandlung sowjetzeitlicher Bauten in Baltikum-Reisebüchern seit 1991 (151)
Jerzy Kałążny: Königsberg/Kaliningrad im Doppelspiegel deutscher und sowjetisch-russischer touristisch orientierter Veröffentlichungen (162)
Anna Kochanowska-Nieborak: Zeitgenössische deutsche Reiseführer über Polen aus literaturwissenschaftlicher Perspektive (am Beispiel des Polen-Reiseführers Polyglott on tour) (174)
Tomasz Torbus: Panjewagen – Störche – Plattenbauten. Das Bild Polens in der Reiseliteratur – Reflektionen am Beispiel von Abbildungen in den eigenen Büchern (193)
Małgorzata Omilanowska: Das Bild der Staaten und Hauptstädte Ostmitteleuropas in »visuellen Reiseführern« (208)
 
Reisen und Literatur in Ostmitteleuropa

Przemysław Czapliński: Die unsichere Mitte. Kurze Geschichte eines Fragments, das nicht zum Ganzen passt (217)

Modelle und Ausblicke

Piotr Kuroczyński: Geocaching von Breslau nach Wrocław. Neue Möglichkeiten zur Darstellung des kulturellen Raumes. Ein Projektbericht (233)
Markus Etz, Simon Templer: Der papierlose Reiseführer – Neuartige Zugänge zu Reiseinformationen (245)

Kommentar

Hinnerk Dreppenstedt: Der Reiseführer als Produkt in einem hart umkämpften Markt. Überlegungen eines Lektors (261)

Anhang

Verzeichnis der Autoren
Personenregister
Ortsregister

Rezensionen

Den Hrsg. ist es gelungen einen Sammelband zusammenzustellen, der vielseitig ist und zugleich einen roten Faden hat. Die Beiträge sind durchweg originell, und wer sich mit Stereotypen und Tourismus in Osteuropa beschäftigt, wird an diesem Band nicht vorbeikommen.
Christoph Mick, in: Zeitschrift für Ostmitteleuropaforschung 62 (2013), H. 1, S. 127-130.

Bardzo starannie wydana przez Harrassowitz-Verlag (...) zasługuje na uwagę. (...) zebrane teksty oferują różne ujęcia tytułowego tematu. Dominująca perspektywa naukowa jest uzupełniona refleksjami i spostrzeżeniami autorów przewodników oraz pracownika wydawnictw.
Joanna Dybiec-Gajer, in: Przegląd Humanistyczny 56 (2012), H. 6, S. 152-156.

Der vorliegende Band eröffnet [...] ein wichtiges Untersuchungsfeld. Weitere Analysen zu den hier nicht berücksichtigten Orten und Regionen in Ostmittel- und Südosteuropa werden sich sicher anschließen.
Steffen Höhne, in: Bohemia 52 (2012), H. 1, S. 161-163.

Die Herausgeber setzen sich insgesamt durchaus kritisch mit dem Zugang zu den ausgewählten Themenfeldern auseinander. (...) möchte ich betonen, dass sich die Herausgeber einer wichtigen Aufgabe angenommen haben. Es ist zu hoffen, dass es in Zukunft eine Fortsetzung hierzu geben wird.
Malin Zillinger, in: Zeitschrift für Tourismuswissenschaft Vol. 3/2 (2011), S. 240-241.

Reiseführer werden gewaltig unterschätzt: Wenn sie nicht mehr aktuell sind, wirft man sie weg. Auch Wissenschaftler kümmern sich kaum um dieses Genre, weil sich fast keine Fakultät zuständig fühlt. Umso verdienstvoller ist das von Rudolf Jaworski, Peter Oliver Loew und Christian Pletzing herausgegebene Buch »Der genormte Blick auf Fremde – Reiseführer in und über Ostmitteleuropa «.
Es handelt sich um die Beiträge einer internationalen Tagung in Lübeck im Jahr 2008. Das Deutsche Polen-Institut, die Academia Baltica und die Universität Kiel hatten das Treffen organisiert. Einige Texte des Bandes sind für ein breites Publikum zwar etwas speziell. Dennoch finden sich immer wieder wichtige Einblicke in eine Buchsparte, über die man wenig nachdenkt.
Michael Kemmerer, in: Main-Echo (Aschaffenburg), 7./8.5.2011

Die in ihrem Anforderungsprofil derart komplexe Gebrauchsliteratur ist eine hervorragende Quellengattung für Geschichtswissenschaft, Kunst- und Architekturgeschichte, Literaturwissenschaft, Volkskunde, Geografie, Medienwissenschaft und Soziologie. Es fehlt allerdings eine "zuständige" Fachdisziplin, weshalb es so erstaunlich nicht ist, das[s] die Textsorte Reiseführer ein weitgehend unerforschtes Gebiet darstellt und es so wenig wissenschaftliche Untersuchungen zu ihr gibt. (...)
Michael Kleineidam, in: meo-kultur.de

Der Sammelband (...) präsentiert eine breite Palette von Themen und Beobachtungsfeldern zu Reiseführern in und über Ostmitteleuropa, und zwar sowohl in geographischer wie in chronologischer Hinsicht: von Riga nach Prag, von frühen Reiseführern aus dem 19. Jahrhundert bis zum Reiseführer der Zukunft, der ohne Papier auskommen wird.
Adalbertus Forum Nr. 46, Juli 2011, S. 43 f.

Die Beiträge [der Tagung] liegen nun als Buch vor, dessen thematische Vielfalt staunenswert ist: Sie beschäftigen sich mit der Geschichte des Reisehandbuchs überhaupt und lenken den Blick auf die Darstellung von Geschichte in Reiseführern (...). Mehrere Studien gelten Reiseführern der Gegenwart und auch elektronischen Produkten, die künftig an ihre Stelle treten könnten.
Erhellend ist auch ein Kommentar aus der Reiseführerbranche: Der Lektor Hinnerk Dreppenstedt schildert, wie die Einflüsse eines hart umkämpften Marktes die Produktion von Reisebüchern prägen. Autoren und Lektoren, legt er dar, befinden sich im Spannungsfeld zwischen Stereotypen und dem, was man als charakteristisch, besonders und sehenswert für ein Land darstellen möchte. Auch diese Perspektive macht den Sammelband wertvoll, der dazu einlädt, nicht nur die Länder, sondern auch die Reiseführer mit anderen Augen wahrzunehmen.
Darmstädter Echo vom 25. Juli 2011

Das sehr sorgfältig herausgegebene Buch besteht aus 18 Texten (...). [Es garantiert] eine erkenntnisreiche Lektüre (...) und [stellt] anhand Ostmitteleuropas einen wertvollen Beitrag zur historischen Erforschung von Reiseführern dar".
Joanna Dybiec in H-Soz-u.Kult vom 3.2.2012 [vollständige Rezension]

Die Herausgeber dieses sorgfältig edierten und mit zahlreichen Illustrationen versehenen Bandes geben zunächst einen kurzen, konzisen Überblick über die wechselvolle, bereits zweihundert Jahre umfassende Geschichte der Reiseführer. (...) lesenserwerter Sammelband (...).
Zbigniew Wilkiewicz in: Osteuropa 2011, H. 11, S. 119 f.